1402 - Das Vampir-Puzzle
Gesicht nach einer Spur von Bewegung, aber auch das sah sie nicht. Mallmann blieb völlig starr und weiterhin ein Rätsel für die Frau.
»Wer bist du?«, flüsterte sie mit heiser klingender Stimme. »Verdammt noch mal, wer bist du?«
Sie erhielt keine Antwort.
Weiter vorn fiel die Tür hinter Rita zu. Justine kümmerte sich nicht darum. Sie musste hier mit Mallmann zurechtkommen und wissen, ob er es wirklich war oder nur ein Kuckucksei, das Saladin ihr ins Nest gelegt hatte.
Eine Waffe trug Justine Cavallo nicht bei sich. Sie selbst war Waffe genug, wenn es darum ging, sich zu behaupten. Sie kannte auch keine Angst, doch in diesem Fall war schon Vorsicht angesagt, denn sie traute Saladin jeden Trick zu.
Während sie sich der Gestalt näherte, passierte noch immer nichts.
Mallmann rührte nicht mal den kleinen Finger, und sein Gesicht schien wie aus Stein gemeißelt zu sein.
Welches Spiel lief hier ab?
Justine musste in die Höhe schauen, um das Gesicht erkennen zu können. Eine starre Fratze, als etwas anderes konnte sie es nicht bezeichnen. Ein geschlossener Mund, keine Blutzähne, die er präsentierte. Er glich mehr einer Statue.
Sie fasste ihn an. Sehr vorsichtig und mit vorgestreckten Fingern.
Sie wollte ihn aus seiner Reserve locken, sie wollte, dass er reagierte.
Und sie hatte Glück! Aber anders, als sie es sich vorgestellt hätte.
Sie vernahm ein Geräusch, das sie nicht so recht einordnen konnte, und einen Moment später geschah etwas, das sie überhaupt nicht begriff.
Mallmanns Körper zerfiel. Er löste sich auf. Sein Gesicht wurde in zahlreiche Stücke zerrissen, dann die Schultern und schließlich der gesamte Körper.
Justine glaubte für einen Moment, dass die Gestalt explodiert wäre, doch dieser Eindruck war nach wenigen Sekunden wieder verschwunden. Da sah sie, was tatsächlich mit ihm passierte, denn er hatte sich in zahlreiche, blutgierige Fledermäuse aufgelöst, die den Flur so stark verdunkelten, als wäre es Nacht…
***
»Und du bist davon überzeugt, dass Assunga noch mal erscheint?«, fragte ich.
Jane hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, John. Ich will nur sagen, dass auf meinen Instinkt höre, das ist alles. Aber das kennst du ja. Du hast schon öfter so reagiert. Irgendetwas wird geschehen. Man hat mir die Köpfe nicht aus Spaß auf die Couch gelegt. Das war nur der Anfang, wenn du verstehst?«
»Klar, ich denke schon.«
Sie lachte und schlug mir gegen die Schulter. »Nein, das glaube ich dir nicht. Wenn ich dich anschaue, bist du mit deinen Gedanken ganz woanders.«
Ich musste anhalten, weil sich mal wieder ein kleiner Stau gebildet hatte. Wir waren mit Janes Golf gefahren, und als ich die Hände vom Lenkrad nahm, gab ich ihr Recht.
»Ich denke wirklich in eine andere Richtung, Jane.«
»Und in welche?«
»Sie hat mit diesem Fall nichts zu tun. Ich kann den letzten Fall in Alet-les-Bains nicht vergessen.«
»Du denkst an Godwin de Salier?«
»Ja, und an dessen Hochzeit. Oder an das Ritual. Sein Blut hat sich mit dem der Sophia Blanc vermischt. Ich glaube, dass uns noch einiges bevorsteht.«
»Aber nicht durch die Templer?«
»Nein, es gibt neue Gegner, die es jedoch auch schon vor einigen hundert Jahren gab. Frühere Baphomet-Diener scheinen sich ihnen angeschlossen zu haben. Sie haben ihre Ziele nie aus den Augen verloren. Sie haben sich im Hintergrund gehalten und man hat sich nur nicht um sie gekümmert. Ihre Verbindungen reichen verdammt weit nach oben.«
»Ich weiß, die Illuminati.«
»Sehr richtig. Dabei frage ich mich, ob sie wirklich erleuchtet sind oder ob sie nur vor Arroganz strotzen. Dass sie vor Mord nicht zurückschrecken, haben Suko und ich in Südfrankreich erlebt. Fast hätte es uns erwischt. Im letzten Moment konnten wir den Spieß noch umdrehen, aber geredet haben die beiden Killer nicht.«
»Sind sie hier nach London geschafft worden?«
»Leider nicht. Die französischen Kollegen wollen sich noch mit ihnen beschäftigen. Ich glaube jedoch nicht daran, dass sie reden werden. Lebten wir noch im Mittelalter, hätten sie selbst die Folter ausgehalten. Es ist nach der Vernichtung des Schwarzen Tods nicht leichter geworden, Jane. Nur eben anders.«
»Das denke ich mittlerweile auch. Es liegt eine spannende Zeit vor uns, glaube ich.«
»War das nicht schon immer so?«
»Wenn du das so siehst, hast du Recht. Nur schlugen die Wogen mal höher und mal weniger hoch.«
Wir fuhren inzwischen weiter und erlebten den dichten Londoner Verkehr.
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