1407 - Klauenfluch
zitterte innerlich schon, wenn sie darüber nachdachte.
Sie hätte nie gedacht, dass ein Leben innerhalb so kurzer Zeit diese Kapriolen schlagen konnte. Doch das ihre hatte es getan, und nun musste sie damit fertig werden.
Auch dachte sie an den Anrufer. Saladin hatte er sich genannt.
Sie würde sich bei Ihrem Mann erkundigen, wer dieser Saladin war – wenn Zeit war.
Momentan war er noch damit beschäftigt, die Leiche aus seinem Arbeitszimmer und Büro zu schaffen. Ein toter Templer. Ein Mensch, der sich selbst umgebracht hatte – so wie es Godwin zuvor in seinem Traum gesehen hatte. Es hörte sich unwahrscheinlich an, aber es stimmte. Der Mann hatte sich umbringen müssen , weil es durch das Buch vorgeschrieben worden war.
Sophia wartete darauf, dass die Männer aus dem Nebenraum endlich verschwanden, damit sie mit Godwin sprechen konnte. Sie wollte schauen, wie weit die Vorbereitungen gediehen waren, und musste die Tür nur spaltbreit offen, um etwas sehen zu können.
Den Toten sah sie nicht mehr. Die Männer waren auch nicht da.
Sie hörte ihre Stimmen durch die offene Tür aus dem Flur dringen.
Godwin erklärte ihnen, dass er den Bruder erst einmal an einem würdigen Ort in der Kapelle aufbewahren wollte.
»Ich gehe mit euch.«
Sophia machte sich nicht bemerkbar. Sie wusste, dass Godwin zurückkehren würde, und so lange konnte sie noch warten, auch wenn es ihr schwer fiel.
Mittlerweile schob sich der Vorhang der Dunkelheit immer weiter zurück. Die Nacht hatte den Kampf gegen den Tag verloren, und Stunden später würde der Tag wieder gegen die Dunkelheit verlieren. So blieb der Kreislauf bestehen, bis ans Ende der Welt.
Wann würde das sein? Das Ende eines jeden Menschen war absehbar, aber das Ende von allem? Und was kam danach? Würde es zum Jüngsten Gericht kommen wie in den seherischen Voraussagen des Evangelisten Johannes beschrieben? Würden Himmel und Erde zusammenbrechen, und würden sich all die Toten aus den Gräbern erheben?
Niemand wusste etwas Genaues. Die Welt war eine ganz andere geworden. Alle Voraussagen vom Untergang der Welt waren nicht eingetroffen, und so bekamen die Menschen immer wieder Hoffnung und konnten von vorn anfangen.
Aber der Mensch konzentriert sich nur selten auf das Ganze. Sein Blick befasst sich mit dem persönlichen Umfeld, und das sah in Sophias Fall nicht eben günstig aus. Ihr war längst klar, dass etwas auf sie zukommen würde und dass sie nur froh sein konnte, einen starken Partner an ihrer Seite zu haben.
Sie betrat das Büro ihres Mannes. Es war nicht dunkel. Eine Lampe spendete weiches Licht. Es breitete sich auch dort aus, wo auf dem Tisch die Bibel des Baphomet lag. Allerdings nicht allein, denn auf ihr stand der geheimnisvolle Würfel des Heils, dessen Farben von Rot bis Violett reichten.
Sophia wusste auch, dass dieser Würfel Godwin gehörte. Er war für ihn geschaffen, deshalb ließ sie ihn auch in Ruhe. Er war ein geheimnisumwitterter Gegenstand. Sophia hatte ihren Mann auch noch nicht nach den Funktionen des Würfels befragt. Es würde sicherlich die Zeit kommen, dass er von allein darüber sprach.
Jetzt stand der Würfel auf dem Buch!
War er ein Schutz vor den rätselhaften Kräften, die zwischen den Seiten wohnten? Sophia hatte das Buch aufgeschlagen. Sie hatte darin gelesen, aber sie hatte nichts verstanden, denn es war in einer ihr unbekannten Schrift geschrieben worden. So musste sie auch weiterhin annehmen, dass dieses Buch mit dem dicken Ledereinband Baphomet gewidmet war, unter dem sie sich jedoch beim besten Willen nichts vorstellen konnte.
Die Zeit verging. Sie fühlte sich allein. Der grauende Tag konnte ihr auch keine Hoffnung geben. Er würde wieder trübe und kalt werden.
Die Menschen sehnten sich nach dem Frühling.
Wann kehrte ihr Mann zurück?
Viel zu lang wurde ihr die Zeit. Sie sehnte sich nach ihm. Jede Sekunde empfand sie als Qual, und sie war erleichtert, als sie die Geräusche der Schritte im Flur hörte. Am Klang erkannte sie, dass es Godwin war, der zurückkehrte.
Er wirkte müde, als er die Tür öffnete, eintrat und in seinem Büro stehen blieb.
»Es tut mir Leid, Sophia«, sagte er. »Es tut mir wirklich Leid. Ich hatte mir das alles anders vorstellte.«
»Es liegt doch nicht an dir.«
Er schloss die Tür. »Kann man es wissen?«
»Ich habe das Buch erhalten.«
»Ja, es stimmt. Und du wurdest als der neue Baphomet bezeichnet. Auch damit habe ich meine Probleme, aber ich kann es nicht ändern, so gern
Weitere Kostenlose Bücher