1408 - Ein Tropfen Ewigkeit
entgegengenommen. Er war diesem in die Todeszone gefolgt und hatte daraufhin ein Neugeborenes in der Todeskammer abgeliefert. Wenig später war diese Kind geraubt worden. Der Täter mußte über die Gegebenheiten genau Bescheid gewußt haben, denn die Alarmanlage hatte nicht auf den Eindringling reagiert. Nach der Entführung war Dirng in die Todeskammer zurückgekehrt, hatte den Raub entdeckt und gemeldet. Danach hatte er sich selbst auf die Suche nach dem Täter gemacht und dessen Verfolgung durch die Todeszone aufgenommen.
Dieser Fall war aber nie abgeschlossen worden, Dirng hatte keine Erfolgsmeldung abgegeben. In den darauffolgenden vier Tagen hatte sich Eiser in der Winterlandschaft herumgetrieben und seine Hamsterkäufe getätigt.
Der Fall schien ziemlich klar, aber es gab auch einige Ungereimtheiten.
Offenbar war Eiser von der Privilegierten, die sich „Schwester" nannte, beauftragt worden, dieses illegitime Kind für sie zu rauben. Jedenfalls verlangte sie nun dessen Herausgabe von Eiser - „und wehe, du bringst es mir kalt!"...
Dirng hatte das ausgesetzte Kind offiziell in der Todeskammer abgeliefert und registrieren lassen. Dann war er anonym zurückgekehrt, hatte es geraubt und war dann, wieder offiziell, als Entdecker der ruchlosen Tat aufgetreten.
Eine etwas komplizierte Vorgehensweise, aber irgendwie verständlich.
Aus irgendeinem Grund war Eiser die Vertragserfüllung nicht eingegangen. Er hatte kalte Füße bekommen, sich mit Vorräten versorgt und war in den Untergrund gegangen. So weit, so gut.
Aber warum hatte Dirng, wenn er die Absicht hatte unterzutauchen, seinen Sender nicht abgeschaltet?
Und wo war das Kind?
Und warum war eine Obere, eine Privilegierte aus der Heimat, daran interessiert, das Balg lebend zu bekommen?
Sie hätte sich ein Dutzend und mehr Kinder machen oder - wenn ihr das zu schmerzvoll war - adoptieren können. Und zwar ganz legitim, ohne irgendwelche Tricks. Für die Oberen gab es da keine Beschränkungen. Offiziell waren ihrer zwar nur 111. Aber da sie sich selbst kontrollierten und die elf Beiräte aus ihren Reihen wählten, konnte niemand prüfen, wie viele sie wirklich waren. Und Minderjährige waren in der magischen Zahl 111 sowieso nicht eingeschlossen.
Monka wußte doch, wie es lief.
Er hinterließ eine Nachricht für Carol.
Natürlich hätte er ihn auch anrufen können, aber Monka vermied den persönlichen Kontakt zu den Kollegen nach Möglichkeit. Besser man knüpfte keine freundschaftlichen Bande, die sich störend auf die Pflichterfüllung auswirken konnten. „Ich schnappe mir Eiser", sprach Monka ins Mikrophon. Einer Laune folgend, fügte er noch hinzu: „Glückwunsch, daß es nicht dich trifft, Carol."
Er schaltete das Gerät ab und machte sich auf den Weg in die Todeszone, um Dirng in seinem Versteck auszuheben.
*
Es war ein sehr enges Versteck. Dirng war steif und kalt. Sein Anzug lag daneben. Er sah recht mitgenommen aus, und Dirng hatte ihn gewiß nicht selbst abgelegt. Er mußte schon tot gewesen sein, als man ihn ihm abgenommen hatte. Und jener, der das getan hatte, hatte irgendwann später versucht, die Beute zu vernichten.
Der Anzug war zerfetzt, er wies Brandspuren auf, und die Ausrüstung war verbeult und in Stücke geschlagen - aber der Sender funktionierte noch. Das Peilsignal war so klar und die Batterie eine so starke Wärmequelle, daß Monka schnurstracks auf die Nische im Todestunnel zumarschieren und den Leichnam aus der Höhle ziehen konnte.
Monka hatte ein ziemlich klares Bild des Tathergangs vor Augen. Er konnte sich auch denken, was die Hamsterkäufe und das Herumstreunen „Eisers" in der Winterlandschaft zu bedeuten hatte. Aber bevor er sich auf Spekulationen einließ, wollte er erst einmal den Obduktionsbefund abwarten.
Er brachte Dirngs Leichnam zur Todeskammer und ließ ihn von dem robotischen Leichenfledderer untersuchen.
Das Ergebnis bestätigte seine Vermutungen: Eiser war bereits seit acht Tagen tot.
Irgendein hungernder und frierender Schlaumeier aus der Winterlandschaft hatte sich also auf Kosten der Regulatoren mit allem möglichen Luxus versorgt, um sich ein Leben wie in der Heimat zu gestatten.
Monka freute sich darauf, diesem Schmarotzer zu einem starken Abgang zu verhelfen. Er wußte auch schon, wie er vorzugehen hatte: in der Maske des mitleidenden Parias.
Aber zuerst stand das Rendezvous mit der Schwester, „Duftnote Seyna", auf dem Programm.
*
Wenn ein Regulator als Privatmann
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