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141 - Das trockene Meer

141 - Das trockene Meer

Titel: 141 - Das trockene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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auch immer – zum Scheitern bringen?
    Urlas Herrin war Geschäftsfrau. Geschäftsleute hatten Konkurrenten. Vielleicht sah einer von ihnen es gern, wenn die Gnädige eine Schlappe erlitt, weil es ihm einen geschäftlichen Vorteil brachte. Wie dem auch war: Black beschloss, den Blick, sobald es dunkel wurde, nicht von Urla zu nehmen.
    Die Fahrt ging weiter. Der zweite Tag verlief ereignislos, wenn man davon absah, dass die grauen Wolken am Mittag aufrissen und die Sonne zum Vorschein kam. Black haute sich aufs Ohr, holte den versäumten Schlaf nach und kam am Abend wieder hervor, um eine Mahlzeit einzunehmen.
    »Morgen erreichen wir den Ort, an dem der Dampfer umkehren muss«, sagte Urla, die sich zu ihm gesellte. »Den Rest des Weges werden wir reiten.«
    Als sie in ihre Kabine gegangen war, traf Black Käpt’n Abram an der Reling, wo er seine Pfeife rauchte und Machorkadünste ausstieß. Der Rudergänger und ein weiterer Matrose sangen ein schwermütiges Lied in einem Dialekt, den er nicht verstand. In der Nacht rührte sich nichts, doch das Schiff knarrte und knackte an allen Ecken und Enden.
    Black schlug sich die zweite Nacht um die Ohren und atmete auf, als das Licht des neuen Tages durch den offenen Niedergang in den Korridor fiel, in dem er Wache gehalten hatte.
    ***
    Das leise Scharren von Hufen weckte Ygoor Saljakin aus seinem unruhigen Schlaf.
    Als er hochfuhr, stieß er gegen die Segeltuchplane, die das am Heck des Dampfers befestigte Rettungsboot bedeckte.
    Neben ihm ertönte ein Grunzen, und gleich darauf hob Wadim den Kopf. Dzingis und Anatoli verhielten sich still, denn sie hatten schon Bekanntschaft mit dem großen Blonden gemacht und waren nicht darauf aus, sie zu erneuern. Welches Wunder, dass Ygoor es geschafft hatte, die drei Kerle zu diesem Unternehmen zu überreden. Anfangs hatten sie ihn für verrückt gehalten, doch Urla und der Fremde hatten sie verdroschen und ihren Freund Ooleg getötet. Nun wollten sie nicht nur reich werden: Rachsucht war eine nicht zu unterschätzende Triebfeder.
    »Was machen sie?«, zischte Wadim. Ygoor lugte unter der vorsichtig angehobenen Plane hervor. Es war sonnig, aber das kleine Gestirn hatte die Erde noch nicht erwärmt. »Sie besteigen zwei Murometze.«
    »Was?« Wadim schob sich dichter heran, was Ygoor wenig gefiel, denn der Räuber roch nicht angenehm. »Was soll das heißen?«
    Dass Sie den Rest des Weges reitend zurücklegen, Blödmann, dachte Ygoor. Er traute sich jedoch nicht, seine Gedanken auszusprechen, denn Wadim war nach dem harten Nachtlager übler Laune und hätte eine solche Antwort als vorwitzig eingestuft. Wenn man es genau besah, war er eigentlich immer übel gelaunt.
    Ygoor war davon ausgegangen, dass Urlas Ziel irgendwo in den Wäldern abseits des Flusses lag. Er hatte die namenlose Stadt mehr oder weniger gleich am Ankerplatz des Dampfers vermutet und diese Vermutung Wadim und seinen Kumpanen dummerweise als Wahrheit verkauft.
    Doch nun sah er am linken Ufer den Fünffingerfelsen in die Höhe ragen. Er kannte diese Markierung von einer alten Landkarte her. Sie sah aus wie eine sich in die Luft reckende Hand. Dies besagte, dass der Dampfer nur zwei Drittel des Kolyma hinter sich gebracht hatte.
    Wenn Urla und Professor Blekk – Wadim hatte den Namen des Fremden und seinen Beruf vom Wirt des »Krummsäbels« erfahren – den Rest des Weges auf Murometzen zurücklegen wollten, saßen sie in der Patsche. Wie sollten sie sie verfolgen?
    Hätten sich die beiden zu Fuß in die Büsche geschlagen, wäre es eine Kleinigkeit gewesen, ihre Spur aufzunehmen. Doch so… Ygoor knirschte mit den Zähnen.
    »Wie viele Murometze sind an Bord gekommen?« Wadim knuffte Anatoli in die Seite, der am Tag zuvor die Gunst der Stunde genutzt hatte, um sich in der Kombüse nach Brot und Fleisch umzusehen. »Du warst doch auch im Laderaum.«
    »Sieben«, raunte Anatoli. »Erinnere mich bloß nicht daran. Ich wäre Blekk beinahe vor die Füße gelaufen.«
    »Und wie viele sind jetzt weg, Saljakin?«
    »Zwei«, sagte Ygoor.
    »Wie viele brauchen wir?«
    »Vier…« Ygoor hatte es kaum ausgesprochen, als Dzingis und Anatoli verhalten kicherten. Ygoor verspürte schlagartig Übelkeit, denn er wusste, was ihr Kichern bedeutete: Ohne Reittiere gab es keine Verfolgung, denn vier Murometze konnten sie nicht mal eben so an Land bringen, ohne dass die Schiffer es bemerkten. Also…
    O nein, dachte Ygoor entsetzt.
    »Mach Platz.« Wadim knuffte Ygoor in die Rippen und schob

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