1410 - Der Droide
Stimme über die Szene, und im selben Augenblick wechselte das Bild.
Nikki befand sich im Innern eines fensterlosen, mit technischem Gerät vollgepfropften Raumes. An den Wänden entlang standen Konsolen, mit denen uniformierte Gurrads beschäftigt waren.
Bildfelder flimmerten in der Luft, erloschen und wurden durch neue ersetzt.
Computerstimmen äußerten sich in sachlichem, ruhigem Tonfall. Die aufgeregten Rufe der Gurrads gellten dazwischen. „Raumfort Tikanoor, meldet euch!"
„Die Ortung versagt! Ich bekomme keine Zielwerte."
„Es sind Phantome!" Eine Stimme voller Verzweiflung. „Wir können sie nicht fassen. Es gibt keine Gegenwehr. Oh, seht doch ...!" Übergangslos befand Nikki sich wieder auf der Oberfläche des Mondes. Sie erschrak, als sie die Rundung des Planeten erblickte, der ihr vor wenigen Minuten noch so paradiesisch erschienen war. Sie sah aus, als wäre sie von den Eruptionen Tausender gleichzeitig ausbrechender Vulkane durchbohrt. Wie häßliche, rotglühende Pockennarben waren die Fanale des Untergangs über das Antlitz der Siedlerwelt verstreut.
Nikki wußte, was sie sah. Sie hatte lange genug im Dienst der terranischen Flotte gestanden und kannte sich in der Waffentechnik aus. Ein unbekannter Gegner hatte den Planeten mit Initialbomben beschossen. Die Geschosse waren bis tief unter die planetarische Kruste vorgedrungen und hatten dort einen Kernbrand entfacht, dessen vorderste Ausläufer soeben die Oberfläche erreichten.
Grausen füllte Nikkis Bewußtsein, als sie sich vorzustellen versuchte, wie die hilflosen Siedler auf den heimtückischen Angriff reagierten. Der Gegner war nicht faßbar, nicht mehr als ein Phantom - das hatte sie soeben in der sublunaren Kontrollstation erfahren. Er hatte sich wahrscheinlich längst zurückgezogen. Der Kernbrand konnte nicht gelöscht werden.
Vergebens hielt sie nach Raumschiffen Ausschau, die von der Oberfläche des Planeten aufstiegen und wenigstens einen Teil der Siedlerbevölkerung in Sicherheit brachten. Aber es regte sich nichts. Kein einziger Lichtpunkt erschien über der flimmernden Hülle der Atmosphäre.
Der Brand breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Unter den weißen Tupfen der Wolkenfelder deckte schmutziggrauer Qualm die Oberfläche.
Durch den Dunst leuchtete die Glut des nuklearen Feuers, jetzt schon nicht mehr rot, sondern in hellem Gelb.
In Nikkis Bewußtsein hallte die Stimme des unsichtbaren Sprechers: „So vollzog sich das Schicksal der Siedlerwelt Namraddon im Jahr fünfhundertzwölf Neuer Galaktischer Zeitrechnung - nur weil der Angreifer auf Namraddon einen bäurischen Flottenstützpunkt vermutete." 5. „Zu den Vorgängen auf der Erde hat Bertralam keine Zeitangabe gemacht", sagte Narktor. „Wir sind uns darüber einig, was von der sogenannten Fuqular-Welle zu halten ist. Es gibt superhochfrequente hyperenergetische Strahlung, aber magische Eigenschaften wohnen ihr nicht inne. Es fällt mir nicht schwer, die terranische Vision als reine Gaukelei abzutun. Seitdem sich der Wall um die Milchstraße geschlossen hat, gibt es keine Informationen über die Zustände auf der Erde mehr, Fuqular oder nicht."
Natürlich hat er recht, dachte Nikki Frickel. Aber das Bild des Kindes, das von der Hitze des triefenden Feuers verzehrt wurde, stand ihr noch mit solcher Deutlichkeit vor Augen, daß ihr die Seele schmerzte. Die Stimmung in der geräumigen Suite in der Herberge der Zeitlosen war gedrückt. Selbst Wido Helfrich war ungnädiger Laune. Er hatte zwar die Visionen nicht miterlebt; dafür hatte ihm die Mikrotechnik der Bordkombination einen Streich gespielt. Es war ihr nicht gelungen, die Wirkungsweise der Geräte zu durchschauen, mit denen der Medientransponent seinen Kunden Bilder der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft vorgaukelte. Nur ein paar belanglose Meßwerte waren aufgezeichnet und sofort an den Bordsyntron der SORONG überspielt worden. Der Syntron hatte zu verstehen gegeben, er könne mit den Daten nichts anfangen. Sie seien zu spärlich und es lasse sich keine brauchbare Korrelation mit bekannten Vorgängen herstellen. „Wenn ich mir vorstelle, daß es auf der Erde wirklich so hergegangen sein könnte ...", murmelte Nikki. „Es ist nicht so hergegangen!" erwiderte Narktor scharf. „Laß dir von dem Taschenspieler nichts vormachen."
„Hast du das Kind gesehen?" fuhr Nikki unbeirrt fort. „Welches Kind?"
„Den kleinen Jungen, der an der Wand des Gebäudes stand und sich vor Angst nicht
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