1410 - Mallmanns Blut-Bräute
hatte nichts gegen fremde Vampire, das wäre auch lächerlich gewesen, aber sie wusste auch, dass sie manchmal hinderlich sein konnten, und so überlegte sie, ob sie mit ihm nicht das Gleiche machen sollte wie mit Peer Ingverson damals.
Ja, das war wohl besser. Er würde ihre Pläne stören und nicht die des Trios.
Es lag auf der Hand, dass sich die drei Blutsaugerinnen verstärken wollten. Der Wirt war der Anfang, und den Anfängen sollte man wehren. Wenn er seine Verwandlung hinter sich hatte, dann würde er losziehen, um an das Blut der Menschen zu kommen. Er würde damit das Vampir-Trio stärken, und das konnte Justine nicht gutheißen.
»Ich glaube«, erklärte sie locker, »das du nicht dazu kommen wirst, irgendwo Blut zu trinken. Du bist so etwas wie ein Störfaktor, und Störfaktoren schalte ich aus.« Sie nickte ihm zu. »Kapiert?«
Vielleicht hatte er es, aber eher nicht, weil er noch zu stark mit sich selbst beschäftigt war. Er saß, drehte sich aber jetzt und hob seine Arme an, um mit den Händen eine Tischkante zu umfassen, an der er sich hochziehen wollte.
Die blonde Bestie ließ ihn gewähren. Sie blieb entspannt sitzen und überlegte sogar, einen Whisky zu trinken, doch darauf verzichtete sie.
Der Wirt stand fast. Er drehte Justine sein linkes Profil zu. Die Gesichtsseite bewegte sich, weil er zusätzlich seinen Mund immer mehr verzerrte.
Es konnte sein, dass ihm bereits Zähne wuchsen. Justine interessierte das nicht mehr. Sie stand auf und ging mit gelassenen Schritten auf die Theke zu.
Ein Griff, und sie umklammerte eine volle Ginflasche. Gelassen drehte sie sich um.
Auch der Wirt hatte sich wieder umgewandt und schaute die Blonde jetzt an.
»So läuft es, mein Freund«, erklärte sie, ging auf ihn zu, holte aus und…
Sie hämmerte ihm die volle Flasche mitten auf den Kopf!
Der Schlag brachte den Wirt nicht um, weil er schon gestorben war, aber er fegte ihn von den Beinen.
Justine schaute auf ihn nieder. Die noch heile Flasche bewegte sich in ihrer Hand vor und zurück.
»Okay, mein Freund, jetzt werde ich mal in die Küche gehen und nach etwas bestimmtem Ausschau halten. Danach regelt sich alles wie von selbst…«
***
Der Nebel hatte sich auch über den Ort gelegt. Es gab keine Stelle in Tegryn, die er nicht erreicht hätte. So breitete er sich in den schmalen Straßen aus, die oft nur Gassen waren, und er klebte auch an den Häusern und deren Gärten fest.
Durch einen der Gärten bewegte sich eine Gestalt. Wer sie sah, der hätte unwillkürlich den Vergleich mit einem Dieb ziehen können, aber ein Dieb war es nicht, der diesen Weg nahm, obwohl auch Linus Hill nicht gesehen werden wollte.
Alles um ihn herum war so still. Okay, in diesem Kaff war es nie laut, aber diese Stille, auch durch den Nebel bedingt, hatte schon etwas Besonderes an sich. Man brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass sich innerhalb des Nebels unheimliche Gestalten verbargen.
Linus hätte den normalen Weg nehmen können oder einen Schleichweg.
Er entschied sich für die letztere Möglichkeit, denn er wollte nicht gern von irgendwelchen Zeugen gesehen werden.
Der Schleichweg war nicht mehr als ein Pfad. Er musste zwei Mal eine Brücke überqueren. Unter ihr plätscherte das Wasser eines Bachs hinweg. Ein Geräusch, das der Nebel auch zum großen Teil schluckte.
Er lief weiter. Obwohl ihn so leicht niemand sehen konnte, bewegte er sich geduckt. Er versuchte auch, möglichst leise zu laufen. Dabei musste er immer wieder Gegenständen ausweichen, die ihm im Weg standen. Sträucher, kleinere Bäume, mal irgendeiner Hausecke, und er musste auch über Zäune klettern, die irgendwelche Grundstück umfriedeten.
Der Bahnhof lag nicht mitten im Ort, sondern an dessen nördlichem Rand. Das Gebäude wurde ebenfalls von Nebelschwaden umweht. Auf dem Vorplatz standen einige Fahrzeuge. Deren Blech glänzte feucht, und auch hier hielt sich kein Mensch auf.
Linus Hill wusste, dass noch ein letzter Zug den Bahnhof anfahren würde. Das würde allerdings noch dauern. In der Zwischenzeit hoffte er, alles erledigt zu haben.
Das graue Steingebäude erschien immer deutlicher, je näher er ihm kam. Er sah sogar, dass an der linken Seite hinter den Fenstern des Pubs Licht schimmerte. Es drang zwar nach draußen, aber es brachte nicht viel Helligkeit, denn die wurde recht schnell von der grauen Suppe verschluckt.
Der Junge war jetzt noch vorsichtiger geworden. Er zog seine dunkle Regenjacke vor der
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