1411 - Vampirehre
befürchtete, etwas verpasst zu haben. Die Spur zu dem Jungen hatten John und Jane auch gefunden, und sie arbeiteten zudem mit dem Constabler zusammen.
Die drei Personen entwischten sehr bald ihren Blicken. Sie verschwanden in einer Seitenstraße.
Ihre drei Feindinnen waren verdammt wichtig für die blonde Bestie, denn sie wollte deren Vernichtung. Momentan wusste sie nicht, wo sich die Unpersonen aufhielten. Anstatt aufgeregt durch den Ort zu laufen und sie zu suchen, musste sie planvoll vorgehen. Erst dann konnte sie die richtigen Entscheidungen treffen.
Sie schaute sich noch mal um, bevor sie die Deckung verließ. Es war niemand zu sehen, und mit schnellen Schritten überquerte sie die Straße. Da sie den Mantel nicht geschlossen hatte, umflatterte er ihre Gestalt wie zwei schwarze Schwingen, und so sah es aus, als würde ein Vogel über die Straße gleiten.
Auf der anderen Seite wandte sie sich nach links. Justine hütete sich davor, den normalen Eingang zu benutzen. Sie wollte keinen fremden Menschen erschrecken. Sie tat dies nicht, weil sie so menschlich gewesen wäre, es ging ausschließlich um den Eigennutz.
An der vorderen Hauswand huschte sie entlang und erreichte den kleinen Anbau. Er ragte in den Garten hinein, und sie ging dorthin, wo der Junge sein Zimmer hatte. Sie blieb für einen Moment vor dem Fenster stehen und konnte nicht hineinschauen, weil die Scheibe von innen verdeckt war. Deshalb musste sie klopfen.
Sie tat es halblaut, aber auch intensiv, und diese Botschaft wurde auch gehört. Ihr feines Gehör nahm die leisen Tritte wahr, dann zog jemand den Vorhang behutsam zur Seite und peilte nach draußen.
Es war Linus!
Er sah die blonde Bestie und erschrak. Justine reagiere sofort und legte einen Finger auf die Lippen. Der Junge verstand. Er wusste, was er zu tun hatte. Spaltbreit öffnete er das Fenster.
»Mach es ganz auf, Linus!«
»Und dann?«
»Bitte, öffnet es.«
»Aber wenn…«
»Bist du allein?«
»Ja und nein. Meine Mutter ist im Haus.«
»Kommt sie zu dir?«
»Bestimmt. Ich kenne sie.«
Justine nahm von ihrem Plan Anstand, durch das Fenster zu steigen. Sie musste allerdings mit dem Jungen sprechen. Sollte er ruhig in seinem Zimmer bleiben. Es würde nicht lange dauern.
»Gut, reden wir hier, Linus.«
»Was willst du denn?«
»Aufklärung.«
»Wieso?«
»Du hast doch Besuch gehabt – oder?«
»Ja, das habe ich.«
»Und was haben Jane Collins und John Sinclair von dir wissen wollen? Schnell, rede!«
Genau das tat Linus Hill nicht. Er war einfach zu sehr überrascht.
»Du kennst sie?«
»Ja, sogar sehr gut.« Bei der nächsten Antwort log sie. »Wir gehören praktisch zusammen.«
»So ist das.« Linus glaubte ihr, weil er sich von Justine beschützt fühlte. Um nicht so laut sprechen zu müssen, öffnete er das Fenster weiter und beugte sich leicht nach vorn. Mit schnellen und doch leisen Worten erklärte er, was ihm widerfahren war.
Die Blutsaugerin hörte aufmerksam zu, doch der Junge konnte ihr nicht sagen, warum die beiden nach Tegryn gekommen waren.
»Aber du hast ihnen alles gesagt?«
»Habe ich.«
Sie schaute ihm etwas länger in die Augen. Dann lächelte sie, ohne ihre Zähne zu zeigen.
Linus fühlte sich verunsichert und fragte mit leiser Stimme: »Was soll ich denn tun? Oder hätte ich tun sollen?«
»Nichts, mein Junge, gar nichts. Es ist alles okay. Du hast schon richtig gehandelt.«
»Und was machst du jetzt?«
Wieder lächelte sie. »Das lass nur meine Sorge sein. Ich werde schon das Richtige tun.«
Linus wollte noch etwas fragen, aber er hörte, dass die Zimmertür geöffnet wurde. »Meine Mutter kommt«, flüsterte er. Im nächsten Augenblick war er vom Fenster verschwunden.
Justine Cavallo blieb noch für einige Augenblicke auf ihrem Platz.
Sie hörte, wie Mutter und Sohn miteinander sprachen. Was geredet wurde, verstand sie nicht. Letztendlich war es ihr auch egal. Sie musste ihren Plan durchziehen. Alles andere war unwichtig. Linus konnte ihr momentan nicht weiterhelfen.
Die Wiedergängerin zog sich zurück. Mit Genugtuung stellte sie fest, dass der Tag seinen Kampf gegen den Einbruch der Nach aufgegeben hatte. Die Dämmerung wirkte dunkler als normal. Das konnte auch am Dunst liegen, der sich einfach nicht verziehen wollte. Aber er wurde nicht dichter, und das musste man auch als einen Vorteil ansehen.
Sie zog sich in den Garten zurück. Dort war sie vom Haus nicht mehr zu sehen, weil am Rand des Grundstücks einige Fichten
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