1411 - Vampirehre
sie brutal ermordet und einfach hier auf dem Waschbecken abgelegt.
Er ging näher, weil er sehen wollte, woran sie gestorben war. Zu entdecken war nichts, bis auf eine Stelle am Boden, wo er die roten Flecken sah.
Blut…
Aber nur wenig, und Luke kümmerte sich auch nicht weiter darum. Er wollte sich seine tote Frau aus der Nähe anschauen.
Vor dem Waschbecken hielt er an. Er musste sich auf seinem Rand abstützen, um das Zittern in den Knien auszugleichen.
Es gab keine Wunde zu entdecken. Kein Stich in die Brust, kein Kugelloch, kein eingeschlagener Schädel – da war einfach gar nichts zu sehen.
Dann schaute er sich das Gesicht der Toten genauer an – und auch den Hals.
Etwas fuhr wie eine scharfe Flamme durch seinen Körper. Er wollte es nicht glauben, obwohl die dunkleren Flecken auf der hellen Haut nicht zu übersehen waren. Das war einfach nicht zu fassen. Er war mittlerweile fast zu einem Fachmann geworden, was das Verhalten der Vampire anging, und hier sah er ihr Markenzeichen mit aller Deutlichkeit und so verdammt grausam nah.
Seine Frau war gebissen worden. Man hatte sie leer gesaugt. Aber sie war nicht richtig tot.
Sie würden wieder erwachen und sich als Untote – welch ein Wort – auf den Weg machen, um das Blut anderer Menschen zu trinken.
Das war Grausamkeit pur. Das passte nicht in das normale Leben hinein, und doch musste es Luke Calham als eine fürchterliche Tatsache ansehen. Von nun an wusste er endgültig, dass es die verdammten Vampire auch in der Wirklichkeit gab.
Sprechen konnte er nicht. Er hörte sich nur krächzen. Wenn er einatmete, gurgelte es in seiner Kehle. Im Kopf spürte er einen Druck, der auch in den folgenden Stunden sicherlich nicht weichen würde.
Aber das beschäftigte ihn weniger. Etwas anderes war viel wichtiger und auch schlimmer.
Luke Calham wusste, dass er seine Frau nicht in diesem Zustand lassen konnte. Sie durfte nicht erwachen und das Blut der anderen Menschen trinken. Sie musste ausgeschaltet werden, musste erlöst werden, und das ging nur, wenn er bestimmte Rituale beachtete.
Vampire konnten nicht so leicht getötet werden. Man brauchte dafür schon bestimmte Waffen. Er hatte davon gehört, dass ein Pfahl aus Eichenholz reichte. Vorn zugespitzt, dann durch die Brust der Gestalt bis ins Herz gerammt, das war es dann.
Aber er hatte keinen dieser Pfähle!
In seinem Kopf herrschte ein Durcheinander wie selten.
Er beugte sich vor. Das Gesicht seiner Frau sah er jetzt recht nahe.
Er kannte es so gut, wie man seinen Partner nach rund 20 Jahren Ehe eben kennt, aber was er hier sah, das war nicht mehr das Gesicht seiner Jodie. Es hatte sich verändert. Aus ihm war eine bleiche Maske mit einer dünnen Haut geworden.
Tief aus seiner Kehle drang ein Schluchzen. Seine Augen brannten, er wusste, dass er es allein nicht schaffen konnte und es für ihn nur eine Möglichkeit gab.
John Sinclair hatte ihm seine Handynummer gegeben. Der Oberinspektor von Scotland Yard musste so schnell wie möglich über diesen Vorgang informiert werden, denn nur er konnte helfen.
Handys hatte er immer verflucht. Jetzt war er froh, dass er eines bei sich trug.
Mit zitternden Fingern holte er den schmalen Apparat aus seiner Seitentasche. Er musste ihn erst einschalten. Danach war alles so leicht. Jetzt wünschte er sich nur, dass der Kollege aus London auch den Anruf entgegennahm.
Ja, er tat es.
Der Constabler achtete nicht darauf, was der Mann sagte, sondern keuchte hervor: »Kommen Sie. Kommen Sie schnell. Meine Frau… sie ist…«, er brachte das nächste Wort kaum hervor, »ein Vampir…«
Mehr schaffte er nicht. Seine Hand sackte nach unten. Ein Finger berührte dabei automatisch die Taste mit dem roten Telefon darauf, und so unterbrach Luke die Verbindung.
Er wusste, dass er genau das Richtige getan hatte. Er selbst würde es nicht schaffen, seine Frau zu erlösen, auch wenn er eine entsprechende Waffe zur Hand gehabt hätte. So etwas musste er einem anderen Menschen überlassen.
Er ging einen Schritt von Jodie weg. In seinem Kopf tobten die Gedanken.
Aber Luke sah etwas, als er zurückging.
Die knappe Bewegung des Kopfes. Das leise Stöhnen. Das Zucken im Gesicht.
Er wusste Bescheid.
Jodie war dabei, zu erwachen, und danach würde die Gier nach Blut sie überkommen…
***
»Nichts mehr«, flüsterte ich und schaute Jane Collins dabei an. »Die Verbindung ist weg.«
Sie nickte. Die Melodie des Handys hatte sie gehört, doch jetzt fragte sie: »Wer war es
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