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Fallschirm-Zielspringen zur Rega? Das Bankfach habe sie nicht interessiert, aber das «Chef-und-ich-Team». Auch das internationale Geschäft mit Derivaten. Zehn Jahre. Als der Chef nach London wechselte, wollte sie mit der Fliegerei zu tun haben. Die Rega suchte jemanden für die Einsatzzentrale.
Kurios, findet sie, jahrelang gemacht zu haben, was am Anfang der Rega-Geschichte stand: Para-Ski. Vor der Helikopter-Zeit sprangen die Retter mit Fallschirmen ab und brachten die Verletzten auf Skiern ins Tal. Aus dem Training für diese Gebirgseinsätze entwickelte sich in den 1950er-Jahren der Wettkampfsport – eine Kombination aus Riesenslalom und Fallschirm-Zielspringen im alpinen Gelände. Claudia Grätzer wurde zweimal Weltmeisterin Para-Ski, 1991 und 2001.
Ihr Vater, Erich Grätzer, ehemaliger Berufsoffizier, hat die Fallschirm-Grenadier-Kompanie aufgebaut – und die Tochter geprägt, gefördert. Die erste Schweizer Fallschirm-Zielspringerin, die den Männern Paroli bot. «1989 haben wir an den nationalen Meisterschaften die Frauenwertung abgeschafft, ich war es leid, bei den Frauen immer die Goldmedaille zu holen, die nichts wert war.» Sie erkämpfte sich auch danach fast regelmässig eine Medaille.
Claudia Grätzer, Löwe im Sternzeichen, der Wettkampftyp. Konzentration auf den Mittelpunkt sei wichtig, fast wie beim Schiessen. Mentale Stärke gehöre dazu und selbstverständlich die Beherrschung des Fallschirms. «Meine internationalen Konkurrentinnen sind praktisch alle Militärprofis.»
Sie absolviert jährlich über 200 Sprünge, trainiert ein bis zwei Wochen im Ausland, in den USA, Frankreich, dieses Jahr in Italien. Insgesamt viermal wurde sie Weltmeisterin, zuletzt 2010 an ihrer achtzehnten und letzten Militär-WM in Buochs. Das reichte. Sie verabschiedete sich vom Militär, springt im zivilen Kader noch die Schweizer Meisterschaft, dann die Weltcup-Serie, ein paar Wettkämpfe jährlich: Auch da will sie eine Medaille. «Ein Rücktritt in Raten.»
Zielspringen gehört zu ihrem Leben. «Aber die Rega ist mir wichtiger. Einsatzleitung ist mein Traumberuf. Ich arbeite gerne Schicht, mag das ‹daily business›, bin keine Projektschaffende, die irgendwann in ein Burnout läuft. Ich mache gern auch mal Feierabend. Eigentlich eine Einzelkämpferin, geniesse ich das Teamwork. Wenn Stress ist, arbeiten wir extrem gut zusammen. Nach elf Jahren Erfahrung kann ich auch die Anrufe besser einschätzen, die Einsätze besser managen.»
Es gibt langweilige Zeiten, «megalangweilige», der November etwa, «wenn keine Töffs mehr unterwegs sind und noch keine Skifahrer, da läuft manchmal tagelang sehr wenig. Dann wird eine Schicht extrem lang.» Auf der Auslandseite gibt es fast immer zu tun. Wenn nicht, hilft man auch mal der Gönnerzentrale aus. Claudia Grätzer hat ihre Sonderaufgaben. Zuständig fürs Informationssystem, bearbeitet sie die Software für den Bereich Helikopter. Und schreibt die Protokolle der Einsatzleitersitzungen. «Protokolle schrieb ich schon früher sehr gern. Es fällt mir auch nicht schwer, ich bin durch und durch ein Bürogummi.»
In den ersten Rega-Jahren arbeitete sie zwei, drei Tage pro Monat auf der Helikopterseite, den Rest auf der Auslandseite. Hier ist man eher Dienstleister, organisiert Ambulanzjets oder Linienflugzeuge, manchmal in direktem Kontakt mit anspruchsvoller Kundschaft. Die Bereiche wurden getrennt. Die Jobs haben sich verändert, die Flexibilität im Team allerdings war im Eimer. Das heisst, es braucht mehr Leute, viel mehr Leute. Die gibt es auch: 18 Einsatzleiterinnen und -leiter für Helikopter, 24 für Repatriierungen Jet, 8 Abklärungsärzte.
Mittlerweile geniesst sie es, auf der Helikopter-Seite zu arbeiten. Im engen Kontakt mit den Crews. Die Einsätze sind kürzer, direkter. Dank den jährlich zwei Tagen Basisseminar kennt sie die meisten Piloten und Rettungssanitäter. Sie parliert englisch, französisch, italienisch. Aufs Tessin fallen zwar nur vier, fünf Prozent der Einsätze, auf die Westschweiz etwa zwanzig Prozent.
Die Einsatzleiterinnen sitzen an elektronischen Arbeitsplätzen, um sich drei Bildschirme: Kommunikationssystem, geografisches Informationssystem, Einsatzdatenbank. Die grün blinkende Lampe wechselt auf Rot, sobald sie das Telefon abnehmen. Mit der neuen Mobile-Technologie sehen sie, woher der Anruf kommt, wo der Einsatzort ist. Meistens aber müssen die genauen Koordinaten noch bestimmt werden. Dank GPS können sie den Helikopter
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