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gern für Leute da. Zugegeben, auch ab und zu für ein Schwätzchen zu haben.»
Geboren im Sternzeichen des Löwen, liest Fausta Gillis Horoskope, allerdings ohne sie ernst zu nehmen, aber dennoch froh, ein Löwe zu sein. Vor zwei Jahren besuchte sie ihren Geburtsort, ein Waisenhaus in Indien. «Die Leute waren rührend, holten die Bücher, völlig zerlöcherte Bücher – und fanden meinen Namen und das Geburtsdatum.»
Sie war zwölf, als sie erstmals einen Helikopter aus der Nähe sah – und wusste: Mit diesen Flugmaschinen will sie einst zu tun haben. Es war auf einer Schulreise; eine Kameradin reagierte allergisch auf einen Bienenstich – ein Fall für die Rega.
Das technische Flair war schon da. «Mein älterer Bruder und ich haben schon immer am Velo rumgemecht, suchten Teile auf dem Schrottplatz, die wir anschrauben konnten. Auf dem Land aufgewachsen, war ich oft mit Buben unterwegs, weil es einfach mehr Buben hatte und sie lustiger, abenteuerlicher, interessanter waren.»
Fausta Gillis fand eine Lehrstelle als Maschinenmechanikerin bei Schlatter in Schlieren, einer Firma, die Schweissanlagen fertigte und damals vierzig Lehrlinge beschäftigte, verteilt auf vier Lehrjahre. Sie war der einzige weibliche Lehrling in ihrem Jahr.
Wurde, wird sie benachteiligt als Frau? Bewundert? Weder noch. «Aber die Rollenteilung ist verankert. Es geht mir selber so. Sehe ich eine Frau in einem Männerberuf, denke ich als Erstes: Passt das? Kann sie das? Auch ich werde genauer beobachtet, nicht böswillig, vielleicht nicht mal bewusst.»
Nach der Lehre bewarb sie sich bei der Rega für eine Ausbildungsstelle als Luftfahrzeugmechanikerin. Keine Antwort. Sie machte die Handelsschule. Nach einem Jahr noch immer ohne Bescheid, fragte sie nach. Man sei am Evaluieren. Sie fand einen Bürojob bei der Walter Meier AG, die Werkzeugmaschinen verkauft, und absolvierte das zweite Jahr Handelsschule. «Ich vermisste das Übergwändli und die Jungs, aber ich habe viel gelernt bei Meier.» Nach eineinhalb Jahren meldete sich die Rega – sie vergibt pro Jahr eine Lehrstelle –, Fausta Gillis könne in eineinhalb Jahren anfangen.
Nach weiteren zwei Jahren hatte sie die nationale Lizenz für Luftfahrzeugmechaniker in der Tasche (heute dauert die Ausbildung drei Jahre, nach den Richtlinien der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA). Fausta Gillis musste nach der Prüfung die Rega verlassen, das ist Usus, eine aufgezwungene Form von Lehr- und Wanderjahren. «Ich war unglücklich, es war, als würde ich aus der Familie ausgestossen. Ich verliere nicht gern, was mir lieb ist. Vielleicht hat es mit meiner Vergangenheit zu tun, ich bin einige Male rausgerissen worden in meinem Leben.»
Damals hätte sie die besten Angebote ausgeschlagen, nichts wäre der Rega gleichgekommen. Sie jobbte beim Rüstungsbetrieb der Armee (Ruag), bei einer Businessjet-Firma, bewarb sich bei der Rega erfolglos um eine Bürostelle – und landete für zwei Jahre bei Linth Air Service in Mollis. Im Nachhinein ist sie froh über diese Erfahrung. «Ich habe viel dazugelernt.» Irgendwann war auch der Trennungsschmerz überwunden. Die Rega suchte einen Mechaniker, sie musste sich offiziell bewerben und zum Vorstellungsgespräch antreten. «Die wollen einfach korrekt sein, dachte ich.»
Seit Oktober 2008 ist Fausta Gillis wieder bei der Rega. Erwarb erst die Lizenz für den Eurocopter EC 145, Ende 2009 dann für die Agusta A 109 K2 und die neue Agusta-Westland Da Vinci. Nun durfte sie alle Helikoptertypen der Flotte nach Störungen oder Revisionen zum Einsatz freigeben und muss auch einen Teil der 365 Piketttage übernehmen. «Angst vor der Verantwortung habe ich nicht, ich kenne mein Handwerk. Es ist mehr die Ungewissheit: Welches Problem kommt auf mich zu? Kann ich es lösen? Man ist allein, bekommt einen Anruf, erschrickt, vergewissert sich via Handbuch, was funktionieren muss, damit der Pilot noch fliegen darf. Darf er nicht, muss ich hinfahren. Auch wenn ich glaube, richtig entschieden zu haben, hole ich gern eine zweite Meinung. Auf Pikett geht das nicht. Doch bis jetzt hatte ich Glück.»
Am Silvester 2010 musste sie nach Erstfeld, arbeitete von 18 bis 23.30 Uhr, fand den Defekt nicht, machte alles, was sie konnte. Anderntags kam ein Avioniker zuhilfe, ein Luftfahrzeugtechniker, Elektriker. Ratlos auch er. Sie suchten weitere Stunden – und fanden schliesslich das Problem. «Der neue Gebirgshelikopter Da Vinci hat seine Kinderkrankheiten. Zwei Jahre
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