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Simon Ammann, Vreni Schneider, Franziska Kohlund, Donna Leon. Manche Gespräche sind mit Emotionen verbunden. «Jemand meldet einen Todesfall, der ihm sehr nahegeht. Alte Gönner, die nicht mehr zahlen können, bedanken sich für unsere Arbeit. Alleinstehende, die mit jemandem reden wollen, was schwierig ist in der hektischen Zeit, in der die Rechnungen verschickt werden. In der zweiten Jahreshälfte liegt ein Schwatz eher drin.»
Es passieren Fehler. «Da kann es recht rumpeln.» Es gibt komplizierte Fälle. Was, wenn ein Schweizer, mit einer Ausländerin verheiratet, im Ausland wohnt? Es kommen Fragen. «Nein, den Ausweis muss man nicht auf sich tragen. Entscheidend ist die Überweisung des Beitrags.»
Einen verärgerten Gönner behandelt Giulia Cimaschi so freundlich, als wäre es ihr erstes Telefonat des Tages. «Ist er schliesslich besänftigt, bin auch ich zufrieden.» Sie kann gut zuhören, sich in andere versetzen, ist neugierig, fröhlich, gefühlvoll. «Menschen interessieren mich, deshalb telefoniere ich auch nach 26 Jahren noch mit Freude.» Selbst wenn sich einer minutenlang wegen eines fehlenden Kommas im Ausweis beschwert. Ein anderer eine halbe Stunde auf eine Verbindung wartet, um mitzuteilen, er sei nicht 56, sondern 55 Jahre alt. Und so fort. «Manch einer denkt halt, er werde nicht gerettet, wenn nicht alles aufs Komma stimmt.»
Giulia Cimaschi-Oberti, 1963 geboren, in Zürich-West aufgewachsen, KV-Lehre bei Maag-Zahnräder AG. Sachbearbeiterin bei Maag, dann bei Knorr-Nährmittel. Seit 1985 Teamleiterin und Berufsbildnerin im Gönner-Center der Rega.
Riesenrespekt vor Katastrophen
Claudia Grätzer, Einsatzleiterin
Claudia Grätzer, Weltmeisterin im Fallschirm-
Zielspringen, hält auch bei Helikoptereinsätzen
die Fäden in der Hand
«Vorgestern hatte ich eine Lawine. Ich war allein zuständig, es lief ideal, innerhalb von zwanzig Minuten waren die Helis und die Alpine Rettung am Unglücksort. Der Verschüttete starb trotzdem, aber wir haben getan, was möglich war. Am stressigsten sind Lawinen. Vieles ist gleichzeitig zu organisieren, und zwar rasch. Lawinenhunde- und Rettungschef-Pager rauslassen, den Helikopter aufbieten, den kommerziellen Heli organisieren, der die Hunde abholt und die SAC-Leute.»
Zwei Wochen vorher verfolgte Claudia Grätzer eine Rettung am Funk mit: «Megaspannend, das Zusammenspiel der Bergrettung mit unseren Leuten.» Zwei Männer, am Eiger unterwegs, telefonierten hundert Meter unter dem Gipfel: kalte Füsse, erschöpft. 18 Uhr. Der Wind zu stark für den Helikopter. Die beiden hatten keine Schaufel für ein Biwak. Am anderen Morgen noch mehr Wind. Sie versuchten, über die Westflanke abzusteigen, einer hatte ein Steigeisen verloren. Wegen Lawinengefahr getraute sich die SAC-Rettungskolonne nicht, ihnen entgegenzugehen. 13.30 Uhr die Meldung, sie seien ziemlich weit unten, man werde jetzt losmarschieren. Fünf Minuten später: Sie sind abgestürzt, bewegen sich noch. Der eine war unverletzt, der andere lag mit gebrochenem Bein im Couloir.
Claudia Grätzer sorgt sich um die Retter, die Schicksale der Bergsteiger beschäftigen sie weniger. «Wie kann man sich nur so in Gefahr begeben! Wir machen, was wir können. Wenn es nicht geht, geht es nicht.» Andere Fälle bewegen die ganze Einsatzzentrale: Der Fünfjährige, von einem Kampfhund zu Tode gebissen. «Wir haben das Glück, das Ganze nicht sehen und hören zu müssen, die Katastrophe, das Blut, die Schreie.»
Von ihrer Person und ihrem Beruf schlägt die Einsatzleiterin eine kühne Brücke zu Paracelsus, dem reislaufenden Feldarzt. Seine Mutter war eine Grätzer, Intendantin des Hospizes zu Einsiedeln, bei der Teufelsbrücke an der Sihl aufgewachsen. «Mein Grossvater kommt auch von dort. Und Vater behauptete immer – mit einem Augenzwinkern –, wir stammten von Paracelsus ab. Der allerdings hatte keine Kinder.» Die hat Claudia Grätzer auch nicht, aber zwei norwegische Waldkatzen. Und einen Freund, der Harley-Davidson fährt.
Wir treffen uns an einem Dienstag im März. «Die Schicht war ruhig. Die grossen Skiferien sind vorbei, die Leute liegen lieber auf dem Gipfel an der Frühlingssonne.» Zehn Einsätze im Frühdienst, an Spitzentagen sind es gegen dreissig. Im Drei-Schichten-Betrieb ist man tagsüber zu zweit, nachts allein. In der Hochsaison gibts zusätzlich einen Mitteldienst, im Sommer einen «Chüelidienst» für verletzte oder kranke Tiere.
Wie kam die UBS-Chefsekretärin und Weltmeisterin im
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