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1990 Unterrichtsassistentin für Krankenpflege. Rega: 1990 bis 1997 Mitarbeiterin im Betreuungs- und Sozialdienst der Rega, ab 1997 als Leiterin.
«Ich finde, wir sind grosszügig»
Juliana Casutt, Rechnungsstellerin
Juliana Casutt verschickt gute Wünsche
und Rechnungen
Patienten, Kühe, Organe – alles, was die Rega fliegt, wird hier verrechnet. Ist eine Rettung oder Repatriierung abgeschlossen, sind Juliana Casutt und ihre Kolleginnen am Zug. «Ich weiss nie, welche Dossiers mich erwarten. Seit diesem Jahr schicken wir vor dem administrativen Ablauf eine Karte und wünschen dem Patienten gute Besserung. Das kommt gut an. Nach Absprache mit unserem Sozialdienst versenden wir auch Trauerkarten. In fast jedem Fall bekommen die Patienten einen Fragebogen. Dieser gibt uns Aufschluss über Adresse, Versicherung, Krankenkasse, Reiseversicherungen, Gönnerschaft und so weiter.»
Seit 22 Jahren arbeitet Juliana Casutt in der Einsatzverrechnung, «heute zusammen mit dreizehn Frauen, einem Lernenden – und natürlich dem Chef. Noch immer freue ich mich jeden Morgen auf meine Arbeit.» 27 Dossiers liegen auf ihrem Tisch. Komfortabel, dass sie sich den Tag selber einteilen kann. Mal schreibt sie Rechnungen, mal eruiert sie Rechnungsempfänger, fragt nach, wenn Fragebögen nicht retourniert worden sind, beschwichtigt entrüstete Gönner, die für ihre Rettung eine Rechnung bekamen. «Der Gönnerbeitrag ist eben keine Versicherungsprämie, sondern streng juristisch eine Spende. Deshalb erhalten auch Gönner eine Rechnung zur Weiterleitung an ihre Versicherung.»
Als humanitäre und gemeinnützige Stiftung macht die Rega ihre Hilfe nicht von der Zusage eines Kostenersatzes abhängig. «Ich finde, wir sind grosszügig.» Nicht-Gönner, die die Rega beanspruchen, müssen die Kosten selber übernehmen. «Bezahlen sie nicht, telefonieren wir, bieten Teilzahlungen an, lassen sie sogar die Höhe der Rate bestimmen. Wir kommen den Patienten weit entgegen. Überhaupt versuchen wir, ihnen möglichst viel abzunehmen. Die einen sind dankbar, andere fordernd. Viele pochen auf ihren Gönnerstatus, einige schreiben seitenlange Reklamationen.»
Die Abteilung ist auch für Rechnungsstellung und Inkasso der Alpinen Rettung Schweiz (ARS) zuständig, einer Stiftung, 2006 vom Schweizer Alpen-Club (SAC) und der Rega gegründet. «Die ARSler, wie wir sie intern nennen, leisten vor allem terrestrische Einsätze, etwa bei Lawinenniedergängen, Suchaktionen in schwierigem Gelände und schwer zugänglichen Gebieten. Ich habe grossen Respekt vor diesen Leuten, die zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei jeder Witterung ausrücken.»
Jede Sachbearbeiterin hat ihre zusätzlichen Aufgaben. Juliana Casutt administriert mit einer Kollegin die Walliser Einsätze. «Im Wallis fliegt die Rega bekanntlich nicht. Das ist für viele Gönner unverständlich.» Die im Wallis geretteten Rega-Gönner erhalten die Rechnung von der Air-Glaciers oder der Air Zermatt und senden diese an ihre Versicherung. Sollte diese nicht oder nur einen Teil bezahlen, kommt die Rega für diese Kosten auf. Es kommt auch vor, dass Gönner der Rega Rechnungen über dreissig oder fünfzig Franken schicken – vermutlich ohne zu bedenken, welch ein Aufwand das ist.
Mehraufwand gibt es auch, wenn Krankenkassen und Versicherungen ihren Anteil nicht oder nur teilweise bezahlen. «In diesen Fällen sind wir dankbar, uns auf Gesetze berufen zu können.» Die Rega rettet eben auch mal vorbeugend: Verirrte, Verstiegene, Unterkühlte. Juliana Casutt kann sich ereifern. Ungerechtigkeiten erträgt sie schlecht. Auch Wanderer, die fahrlässig im Gebirge unterwegs sind und dann ungeniert die Rega bestellen.
Sie selber steigt nicht auf Berge, trotz ihrer alpinen Herkunft. Sie wollte schon immer nach Zürich. Zu Hause in Falera spricht sie Romanisch: Sursilvan. Vom Einheitsromanisch hält sie nichts. «Wenn Eltern das ursprüngliche Romanisch nicht mehr sprechen, stirbt die Sprache eben noch schneller aus.»
Juliana Casutt wirkt zurückhaltend selbstbewusst. Im Mittelpunkt steht sie ungern – ausser in der Küche. Kochen mit Freundinnen, mit der Nichte, die für ein paar Monate bei ihr lebt, früher mit der Mutter. Essen findet sie herrlich. Reisen ebenfalls. Sie selber ist von jeder Safari heil nach Hause gekommen. Afrika ist ihr Lieblingskontinent, vor allem der Tiere wegen. Alte Städte faszinieren sie, nach Rom zieht es sie immer wieder. Menschliche Schicksale fesseln sie, «wenn es um
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