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1414

1414

Titel: 1414 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schläpfer
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Lawine ums Leben kam. Ende Jahr versucht sie, möglichst viele Fälle abzuschliessen, oft mit einem persönlichen Adventsbrief, vor allem wenn ein Kind gestorben ist. «Ich muss abschliessen, man möchte mich irgendwann auch nicht mehr sehen, ich erinnere ja immer an das Unglück.»
    Fritz Bühler hatte einst mit dieser Betreuung begonnen, Patienten mental und praktisch unterstützt, auch finanzielle Lösungen gesucht. Da er selber in der Nähe des Kinderspitals lebte, liess er Mütter, die zu weit weg wohnten, bei sich logieren. Später wurde der Sozialdienst institutionalisiert.
    Wie kam die Kinderkrankenschwester zur Rega? Ihr Sohn war zweijährig, als sie wieder ins Berufsleben einstieg – und dem Spital Uster zwanzig Jahre treu blieb. Doch alt werden wollte sie nicht in dieser Hierarchie. Da fiel ihr ein Rega-Inserat in die Hände: freie Stelle im Sozialdienst. Sie schied in der letzten Runde aus und begann eine Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin an der AEB Luzern. Nach einem Jahr rief die Rega wieder an, der Platz sei frei. Die geliebten Schülerinnen aufgeben? Die Ausbildung abbrechen? Sie wählte die Rega.
    Das war 1990. Cristina Monticelli ahnte nicht, welch harte Jahre sie erwarteten unter einem Vorgesetzten mit äusserst schwierigem Charakter. Sie harrte aus. 1997 wurde sie zur Chefin – allerdings über zehn Jahre ohne feste Mitarbeiterin. Auf Dauer nicht zu bewältigen. Seit 2010 steht ihr Pflegefachfrau Judith Jerez zur Seite: «Ein Glücksfall.»
    Das Büro ist tapeziert mit Kinderzeichnungen, Fotos, Zitaten – den Satz von Michael Zöller mag sie besonders: «Die einfachste Art, einen Menschen zu ehren, ist, ihm zuzuhören.» Sie blättert in ihren Ordnern mit Zeitungsartikeln, Fotos, Briefen. Die Schiesserei am Tessinerplatz, 2004: Ein Mitarbeiter der Zürcher Kantonalbank erschoss zwei Direktoren. Die Frau, die auf der Autobahn Zwillinge gebar. Der Porschefahrer, der in Schwamendingen in ein Bushäuschen raste und zwei Geschwister tötete. Der Ordner «Sternschnuppe», eine Stiftung, die schwer kranken Kindern einen Wunsch erfüllt. Es wurden zu viele, die mit dem Heli fliegen wollten; heute dürfen sie den Hangar besichtigen. Der Tsunami-Ordner. Der Luxor-Ordner: Bilder der aufgereihten Särge im Hangar, die Trauerfeier im Grossmünster. Luxor, Halifax, Tsunami: die Stunden der Careteams. Erträgt man heute einen Schicksalsschlag schlechter als früher? «Das Angebot bestimmt, nicht die Nachfrage.» Hilfe werde oft aufgezwungen; in die vermeintliche Marktlücke drängten Psychologen, Therapeuten, auch allerlei Gurus. Jede kantonale Notrufzentrale habe ihr Careteam. Heute sei erwiesen, dass es betreuten Leuten oft schlechter geht. «Defusing, Debriefing. Manchmal wird zu viel gemacht. Bei einem plötzlichen Kindstod oder einem Verkehrsunfall muss keine Fachperson hin, man spürt schnell, ob psychologische Hilfe nötig ist.»
    1990 zerschellte eine Maschine der Alitalia bei Weiach am Stadlerberg. Alle 46 Passagiere starben. «Wir betreuten die Angehörigen auf dem Flughafen Zürich so gut es ging. Danach war erstmals von einer Betreuergruppe die Rede, den Begriff Careteam gab es noch nicht. Nachdem ein erstes Projekt gescheitert war, gründete 1997 der Flughafen Zürich mit Flughafenpfarramt und psychiatrischer Klinik Hard das Airport Emergency Team (AET), bei dem ich als Kernmitglied dabei bin. Gleich darauf passierte der Anschlag in Luxor. Wir holten die Überlebenden zurück. 2004 dann der Tsunami. Die Rega entsandte vorab ein Detachement an die Küste Thailands, das in den Spitälern die Bedürfnisse abklärte; danach flog der Rega-Jet siebenmal nach Asien. Nach diesem extremen Einsatz, der auch unsere Crews belastete, erlebte ich das erste hilfreiche Debriefing.»
    Cristina Monticelli ist eine leidenschaftliche Rednerin für die Sache der Rega. 300 Vorträge in den letzten fünfzehn Jahren – von den Landfrauen über die Bürgerversammlung bis zu den Rotariern. Sternstunde war das Innsbrucker Notfallsymposium 2004.
    Im Sommer 2012 wird sie pensioniert. Sie hätte gern noch länger gearbeitet. Nun wird sie öfters schwimmen gehen. Den Topolino Jahrgang 1956 ausfahren. Mit ihrem Lebenspartner die Ferienwohnung im Tessin geniessen. Und immer wieder handelnd und lachend hinter ihrem Stand am Zürcher Flohmarkt Bürkliplatz stehen.
    Cristina Monticelli, 1948 geboren, aufgewachsen in Zürich, Frauenfachschule Zürich. 1966 bis 1988 Ausbildung und Engagement als Kinderkrankenschwester. 1988 bis

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