1415 - Letzte Station Hölle
können.
Justine wollte etwas sagen. Sie hatte bereits angesetzt, aber Mallmann war dagegen.
»Nein, du bist erst später an der Reihe. Erst werde ich die Dinge regeln.«
»Wie du willst.«
Mallmann reckte sich. Das Gesicht erschien Marek noch bleicher.
Man konnte es als totenbleich und blutleer bezeichnen, was bei der Cavallo nicht der Fall war, denn sie hatte ein leichtes Rouge aufgelegt.
Mallmann schritt wie ein König auf Marek zu, der plötzlich glaubte, ganz klein zu sein. Er war ein Mensch, der sich über Jahrzehnte hinweg den verdammten Blutsaugern gestellt hatte, in diesen Minuten allerdings, da musst er sich eingestehen, dass er verloren hatte.
Diesmal saß die Angst in ihm fest, weil er keine Chance mehr für sich sah.
Mallmann blieb stehen. Er hätte den Vampirjäger mit der ausgestreckten Hand berühren können. Das ließ er bleiben, dafür schaute er auf den kleineren Menschen nieder. Auf eine gebückte Gestalt mit eisgrauem Haar und einem Gesicht, in das sich tiefe Falten wie Rinnen gegraben hatten. Die Spuren eines langen Lebens.
Er sprach den Vampir nicht an. Marek nahm nur den alten Geruch wahr, der von dieser Gestalt ausging. Er musste von ihm eingeatmet werden. Er füllte seinen Mund, er legte sich auf seinen Magen, aber die leichte Übelkeit kam nicht nur daher.
»Wie heißt es noch, Pfähler? Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Ich kann jetzt lachen.«
»Ja, das sieht so aus.«
»Das sieht nicht nur so aus, das ist auch so. Du hast dein Leben hinter dir, aber ich sage dir, dass ein anderes und auch ein neues noch vor dir liegt.«
»Tatsächlich?«
»Ich werde mich an deinem Blut satt trinken, mein Freund. Ich werde danach warten, bis du in deinem neuen Zustand erwachst, und ich werde dich als Vampirbruder in die Arme schließen. Du wirst erleben, wie gierig man nach dem Blut der Menschen sein kann. Du wirst sie jagen. Du wirst fast an deiner eigenen Gier ersticken, wenn du kein Menschenblut bekommst, und du wirst keine Freunde mehr kennen. Wenn du sie trotzdem siehst, kannst du nur an ihr Blut denken. So und nicht anders wird es sein.«
Marek sagte nichts. Er hatte mit einer ähnlichen Ansprache gerechnet. Sein Mund hatte sich in eine Wüste verwandelt, so trocken fühlte er sich an.
Trotzdem war er stark genug, um Mallmanns Blick Stand zu halten. In diesen Sekunden ging ihm so vieles durch den Kopf, und es zogen vor allen Dingen die Bilder der Vergangenheit vorbei.
Er sah sich in zahlreiche Kämpfer verwickelt. Die großen Siege, die Niederlagen wie der schreckliche Tod seiner Frau, das alles waren Ereignisse in seinem Leben, die nicht mehr ausradiert werden konnten.
»Nun…?«
»Ich hasse dich, Mallmann. Ich hasse dich mehr als irgendjemand anderen in meinem Leben.«
»Ha, das kann ich mir vorstellen. Aber Hass vergiftet kein Blut. Es wird mir trotzdem munden.«
Worte und Sätze, die den Pfähler wie Tiefschläge trafen. Er wusste sehr gut, wie schlecht seine Position war. Das alles sah nach einer letzten und endgültigen Niederlage aus, aber damit wollte er sich nicht abfinden. Wenn er schon den schrecklichen Weg gehen musste, dann mit einem Gefühl der Stärke und dem Wissen, dass er bis zum Schluss alles gebracht hatte, was ihm überhaupt möglich war.
»Einer von uns zu werden, ist immer noch besser, als von Wölfen zerrissen zu werden. Das hat sich auch Justine gedacht«, fuhr Mallmann fort. »Nach den Zeiten der Irrtümer ist sie wieder zu mir zurückgekehrt, sie wird sich wieder bei mir einfinden, und wir werden ein Paar sein. Aber ich könnte auch umdenken und aus dem Paar ein Trio machen.«
»Mit mir?«, fragte Marek rau.
»Mit wem sonst?«
»Nein, das…«
Dracula II unterbrach ihn. »Hör mir erst zu, Marek. Du wirst bald als Vampir durch die Welt wandeln, aber das muss nicht allein auf diese Welt beschränkt bleiben. Ich kann dich auch in deine alte Welt zurückschicken. In dein Haus, in dem du weiterhin leben kannst.«
»Darauf kann ich verzichten.«
»Aber nicht doch. Ich will, dass du dich wohlfühlst. Alle, die so sind wie ich, sollen sich wohlfühlen. Verstehst du?«
Marek schwieg. Er wollte nichts mehr sagen. Er hasste die Stimme des Anderen. Und so schaute er an Mallmann vorbei, um einen Blick auf Justine Cavallo zu werfen.
Marek war sich noch immer nicht über ihre Rolle klar geworden.
Hatte Mallmann sie nur als Dekoration mitgebracht – oder war sie in einem besonderen Auftrag unterwegs?
Nichts las er in ihrem Gesicht, und auch in den
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