1416 - Das Gebot der Götter
gelauscht hätte. Aber es wäre nicht mit seinen Grundsätzen und seinen guten Vorsätzen vereinbar gewesen, außerdem machte es ihm Spaß, den abgehackten Zisch- und Murmellauten der Bekassu zuzuhören. „Die Bekassu üben sich im Infrarot-Spuren, Sternreisender Gucky. Du wirst diese Arena nie leer vorfinden. Immer gibt es Artgenossen, die sich hier in ihren Fähigkeiten üben. Willst du die Ultraschall-Zentren sehen? Dort ist noch mehr los. Jedesmal, wenn der Zeitpunkt naht, daß das Ewigkeitsschiff kommt, sind die Trainingszentren übervölkert."
„Ich verstehe. Jeder will zu den Auserwählten gehören. Was geschieht nun?
Was tun deine Artgenossen hier, wenn das Ewigkeitsschiff angekommen ist?"
„Sie suchen die äußeren Bezirke der Station auf. Dort gibt es Panoramagalerien mit optischen Beobachtungsgeräten. Jeder versucht, das Schiff wenigstens einmal zu Gesicht zu bekommen, bevor es wieder verschwindet. Es dauert nicht mehr lange.
Ich spüre in mir bereits die Unruhe, die jeden Bekassu erfaßt, wenn es soweit ist."
Er unterbrach sich. Gucky benutzte die Gelegenheit und trat in das Labyrinth ein.
Der Eifer der Bekassu machte ihm Spaß, und er wollte sie ein wenig überraschen, ohne gleich Auskunft über seine Fähigkeiten geben zu müssen. Sein Spieltrieb übermannte ihn. Er marschierte mit Hilfe des Gravoaggregats des SERUNS durch das Labyrinth und hielt nach den Gedanken der Bekassu Ausschau.
Er wartete jeweils, bis sie an ihren Namen dachten, dann meldete er sich. „Mir gegenüber befindet sich Huranzo", verkündete er und nannte die Zahl der durchlaufenden Markierung an der Wand.
Seine exakte Auskunft überraschte und verwirrte die Bekassu, und Gucky wiederholte das Spiel, ehe er zu seinem Begleiter zurückkehrte. „Du bist wirklich einer der Götter, denn du beherrschst die Fähigkeit viel besser als jeder Bekassu", wurde er empfangen. „Die Auserwählten würden vor Neid erblassen, wenn sie es sehen würden. Jeder von uns hofft, der Beste unter den Besten zu sein, aber jetzt müssen wir erkennen, daß unser Bemühen nichts ist gegen das, was du uns zeigst. Seid ihr zu uns gekommen, weil wir zu hochmütig geworden sind?"
„Darauf will ich dir später antworten oder gar nicht", sagte Gucky. „Sprich weiter. Beschreibe die Gefühle, die die Auserwählten beseelen, wenn sie auf das Ewigkeitsschiff warten!"
„Es sind die Gefühle des ganzen Volkes.
Jeder Bekassu fühlt ähnlich oder gleich.
Die Auserwählten sammeln sich in der äußersten Station um Kassuban, nachdem sie sich ein letztes Mal auf die Erde ihrer Heimatwelt gelegt haben. Sie drängen sich zusammen und bauen ein unwahrscheinlich starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit auf. In dieser Phase darf niemand mehr kommen, um sie zu stören. Eine Mitteilung, daß bei der Auswahl ein Fehler gemacht wurde und ein anderer in Wirklichkeit das Recht hat, auf das Ewigkeitsschiff zu warten, würde den Betroffenen psychisch vernichten und Siechtum hervorrufen, das bald im Tod enden würde. Die Auserwählten sprechen miteinander über das Gebot der Götter, sie ermutigen sich gegenseitig, die eigenen Interessen und die Neugier vor dem Neuen hintenanzustellen und nur für die Wünsche der Götter da zu sein. Wenn das Schiff dann kommt, müssen sie sich beherrschen, um vor Freude nicht den Verstand zu verlieren. Sie gehen an Bord des Ewigkeitsschiffs und werden mitgenommen in das Nirgendwo, um dort den vierjährigen Dienst für die Götter zu erfüllen. Nach diesem Zeitraum kehren sie zurück und genießen hohes Ansehen. Mancher Auserwählte ist später zum Rat aufgestiegen. Die meisten jedoch ziehen sich ganz in sich selbst zurück und werden Weise und Philosophen. Du kennst die Philosophenschulen in der Hochflora oder hast von ihnen gehört?"
„Ja", log Gucky. Er war plötzlich ungeduldig geworden. Am liebsten wäre er vor den Augen der Bekassu teleportiert, um seine Nachricht loszuwerden. Dann aber besann er sich, daß die Gruppen auf Kassuban vielleicht ähnliche oder identische Informationen erhalten hatten. „Das Ewigkeitsschiff kommt bald", sagte er deshalb. „Hast du einen besonderen Wunsch, von wo aus du seine Ankunft und seinen Abflug beobachten möchtest?"
„Am liebsten im Observatorium Tharans. Aber die Astronomen lassen nie jemand hinein."
„Diesmal werden sie eine Ausnahme machen. Gib mir einen deiner Tentakel!"
Der Bekassu reichte ihm einen Arm, und Gucky faßte den Greiflappen fest und teleportierte mit ihm vor den
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