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142 - Der Bluttempel

142 - Der Bluttempel

Titel: 142 - Der Bluttempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Gedanken sind nicht böse«, hatte sie vor dem Abflug Matt gesagt. »Ich kann ihn allerdings nur oberflächlich spüren. Irgendwie schafft er es, seine innersten Gedanken vor mir zu verbergen.«
    »Aber du vertraust ihm?«
    »Ich vertraue meinem Gefühl, und das sagt mir, dass wir einen ehrlichen Menschen vor uns haben.«
    Matt konzentrierte sich wieder auf die Lenkung des heute etwas behäbig gehorchenden Tiers. Es war bis an seine Grenzen beladen.
    Die silbern glänzende Voolga machte vor ihren Augen einen weit gezogenen Knick nach rechts, um dann dem Horizont entgegen in sanften Schlingen hin und her zu mäandern. Hier, an der breitesten Stelle, floss das Wasser ruhig, fast behäbig.
    Mehr als fünfhundert Meter mochte der Fluss breit sein, unterbrochen von mehreren kleinen Schotterinseln.
    »Das Wasser ist vielleicht hüfttief«, sagte Popovgeno.
    »Warum sollen wir nicht darüber hinweg fliegen?«, fragte Matt. »Die Andronen haben uns bislang sicher getragen.«
    »Über dem Wasser herrschen heimtückische Winde. Kalte und warme Luft prallen aufeinander. Besonders jetzt, zum Ende des Frühjahrs. Manch ein verwegener Abenteurer hat hier seinen Leichtsinn mit dem Tode bezahlt.«
    Nicht zum ersten Mal beglückwünschte sich Matt zu der Idee, einen ortskundigen Führer für die Weiterreise nach Staritsa gesucht zu haben. Möglicherweise hatte sie der Vogelhändler hier und jetzt vor dem Tod gerettet. Matt machte sich eine geistige Notiz, um dem Händler beizeiten seinen Dank zu zeigen.
    Sie stiegen von den Andronen. Matt zupfte am ledernen Zügel und lockte sein Tier langsam ins Wasser. »Wie weit ist es noch?«
    »Am frühen Abend erreichen wir das Dorf. Warum diese Ungeduld? Ist deine Sehnsucht so groß, der Heiligen Babooshka ein Opfer bringen zu dürfen?«
    »Hm… ja. Warum fragst du? Zweifelst du etwa an meinen Worten?«
    »Die meisten Pilger, die ich bislang getroffen habe, waren weltfremde oder verinnerlichte Menschen mit wenig Bezug zur Wirklichkeit. Aruula und du, ihr seid aber eher von der handfesten Sorte. Die Muskeln, die ich unter deinem merkwürdigen Gewand spüre, kommen sicherlich nicht von ungefähr. Von dem prachtvollen Körperspiel deiner Gefährtin will ich gar nicht reden…«
    »Das würde ich an deiner Stelle auch lassen. Sie reagiert sehr empfindlich auf Anzüglichkeiten – genauso wie ich.«
    Popovgeno lachte hellauf. »Nur keine Angst, kleiner Mann! Ein Händler, der etwas auf sich hält, schiebt persönliches Interesse nie vor das Geschäft. Und immerhin haben wir eine Abmachung getroffen, nicht wahr?«
    »Ja, das haben wir. Und ich hoffe, dass du dich stets daran erinnerst.«
    Der Vogelhändler schwieg. Unklar blieb allerdings, ob er dies aus Respekt oder aus taktischen Gründen tat.
    ***
    »Das hier ist Staritsa!«, sagte Popovgeno und breitete seine Arme weit aus.
    »Wo?«, fragte Matt. »Ich kann nichts sehen.«
    »Blind wie ein Gejagudoo, so wie immer«, schnaufte Aruula mehr amüsiert als verächtlich. »Sieh dort hin!«
    Die Barbarin deutete an efeubekränzten Bäumen vorbei auf mehrere kleine Erhebungen im ansonst flachen Land. Ein kegelförmiges Objekt stand zwischen ihnen, glatt und von kräftigroten Blüten übersät, möglicherweise von Menschenhand geschaffen. Es bildete den einzigen Farbtupfer im ansonsten von Grün beherrschten Szenario.
    »Das sind Hügel… oder?«
    »Dafür ist ihre Form viel zu ebenmäßig. Es sind begrünte Lehmhäuser. Gut getarnt – und wahrscheinlich noch besser gesichert.« Prüfend betrachtete Aruula den von einem Blitz geteilten Baum, an dem sie soeben vorbei marschierten, und hieb mit ihrem Schwert eine der giftgrünen Lianen durch, die sich darum wanden.
    Ein Sirren ertönte. Ein Teil des moosigen Bodens senkte sich, nur wenige Schritte vor ihnen.
    Schaudernd blickte Matt in die Falle hinab. Angespitzte Hölzer, mehr als zwei Meter lang, hätten jeden unbedarften Besucher aufgespießt, der nicht Aruulas Augen und Instinkte besessen hätte.
    »Warum hast du uns nicht gewarnt?«, fuhr die Barbarin den Vogelhändler an. »Du kennst diese Leute, du kennst diese Falle. Wolltest du uns dort unten verenden sehen, um die Flugandronen als Beute zu behalten?«
    Popovgeno blieb unbeeindruckt. »Wie ich bereits sagte: Ich bin Händler, kein Mörder. Ich hätte euch zurückgehalten, bevor ihr in echte Gefahr geraten wärt…«
    »Warum dann dieses Schauspiel?«, hakte Matt misstrauisch nach. Er tastete nach seinem Driller, den er versteckt in einer

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