142 - Der Bluttempel
Beintasche trug.
»Ich wollte bloß endgültige Sicherheit haben«, antwortete der Vogelhändler mit ausdruckslosem Gesicht. »Pilger hätten die Babooshka sofort erkannt. Die Geschichte von ihrem wundersamen Bewuchs durch wilde Roosas ist berühmter als die Statue selbst. Und Pilger wären auch blindlings drauflos gestürmt, um der Heiligen ihre Referenz zu erweisen.«
»Willst du damit sagen, dass hier alle Pilger in eine Falle gelockt werden?«, hakte Matt ungläubig nach. »Dass sie ihr Glaube in den Tod treibt?«
»Keineswegs. Ich habe diesen Landeplatz ganz bewusst gewählt. Keiner, der die Babooshka anbeten will, nähert sich von dieser Seite, sondern von vorne.« Popovgeno deutete hinter die Lehmhäuser.
»Wozu also dieses Spielchen?« Aruula hielt ihr Schwert nach wie vor in ihrer Hand und überprüfte wie beiläufig die Schärfe der Klinge.
»Ihr sucht die Noskopzen, dessen bin ich mir durch mein kleines… Ratespiel jetzt sicher.«
»Und wenn es so wäre?«, fragte Matt lauernd.
»Dann kommt ihr möglicherweise, weil euch jemand geschickt hat. Vielleicht aus Moska? Pjotrbuurg? Ich weiß es nicht, und es ist auch einerlei. Aber vielleicht hat man euch hergeschickt, um den Orden der Noskopzen, nun… zu zerschlagen?«
»Das traust du uns zu?« Matt lachte gekünstelt. »Ein Mann und eine Frau, alleine gegen den berüchtigten Orden, vor dem das ganze Land zittert?«
»Ich bin Händler«, sagte Popovgeno zum wiederholten Male. »Auch Informationen gehören zu meinem Geschäft. Es mag Zufall sein oder nicht – aber es kursieren Gerüchte über eine schöne, mit dem Schwert erfahrene Barbarin und ihren blonden Begleiter, der mehr Wissen besitzen soll als alle anderen Menschen auf der Erdscheibe.«
»Haben diese Gerüchte die Barbarin tatsächlich an erster Stelle genannt?«, fragte Aruula amüsiert, während sie das Schwert über Kopf zurück in seine Rückenscheide schob.
»Schönheit geht immer vor Intelligenz«, schmeichelte der Vogelhändler in ihre Richtung. »Aber wollt ihr mir nun endlich sagen, ob ich Recht habe?«
»Nun – wir wollen es nicht ganz ausschließen«, erwiderte Matt und grinste. »Du als Händler könntest uns – gesetzt den Fall, wir sind diejenigen, die du meinst – sicherlich wertvolle Informationen über die Noskopzen anbieten?«
»Also stimmt neben der Beschreibung der Schönheit deiner Begleiterin auch jene über deine Intelligenz.« Popovgeno erwiderte sein Lächeln.
***
»Nehmt euch in erster Linie vor Sirhissov in Acht«, warnte der Vogelhändler, während sie sich dem versteckten Dorfzentrum näherten.
»Wer ist das? Der Oberste des Ordens?«
»Keinesfalls.« Verächtlich spuckte Popovgeno aus. »Er ist Schlangenhändler. Ein Verräter an den armen Menschen hier. Einer, der um ein wenig Profit seine Mutter verraten würde – beziehungsweise längst verraten hat…«
»Schlangenhändler?«, wunderte sich Matt. »Ist er damit eine Art Konkurrenz für dich?«
»So kann man es nennen. Die Noskopzen kaufen mir meine Ware ab, weil sie glauben, mit dem Blut der R-Drosseln oder der Blutfinken Fröhlichkeit und Lebendigkeit zu sich zu nehmen! Den giftigen Lebenssaft der Schlangen allerdings nutzen sie, um sich in Euphorie zu versetzen, die sie sonst nicht verspüren können. Manche von ihnen verfallen dank des Beigeschmacks in Raserei und fallen dann über alles her, was ihnen über den Weg läuft. Andere packt der Größenwahn – so wie Pjotr.«
»Wer ist das?«
»Eigentlich Pjotr der Vierte. Ihr ungekrönter Anführer. Der Vorstand oder Oberste des Ordens. Ein Monster in Gestalt und Geist.« Der Vogelhändler schüttelte sich. »Ihm haben wir das ganze Unglück und die ständig wachsenden Repressalien zu verdanken – und diese wiederum sind auf den Blutcocktail Sirhissovs zurückzuführen.«
»Noch vor wenigen Stunden hattest du eine ganz andere Meinung von den Noskopzen«, sagte Matt misstrauisch.
»Vor wenigen Stunden habt ihr mir auch einen ganz anderen Grund für euren Besuch hier erzählt«, entgegnete Popovgeno unbeeindruckt.
Sie waren bei den überwachsenen Häusern des kleinen Dorfes Staritsa angelangt. Erst hier, aus nächster Nähe, konnte Matt die geschickte Tarnung als solche erkennen. Er wandte sich der Heiligen Babooshka zu.
»Berühre sie bitte nicht!«, warnte ihn der Vogelhändler.
»Die Dörfler würden es dir verübeln.«
Matt umwanderte die mehr als mannshohe Gestalt. Sie war in der Tat birnenförmig. Er hatte in seinem alten Leben
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