1420 - Der Geisterhenker
Besucher das Richtige.
Natürlich war auch der Sandstrand am See belegt. Auch hier hatten es sich Familien bequem gemacht. Allerdings waren die Frauen mit ihren Kindern in der Überzahl. Bei einem derartigen Wetter spielte sich das Familienleben im Freien ab.
Wer Zeit hatte, ruderte oder paddelte über den See. Bootsanlegestellen waren genügend vorhanden, und als ich mir die friedliche Atmosphäre anschaute, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass es hier zu einer so grausamen Tat gekommen war.
In der Nähe des Strands hielt ich mich nicht weiter auf. Mein Ziel lag woanders. Jenseits davon, aber auch recht dicht am Ufer gab es diesen schmalen Joggerpfad, auf dem die Leiche der Beth Ingram entdeckt worden war.
Phil Bakers Mitarbeiter fand ich nicht mehr vor. Sie hatten ihre Untersuchungen abgeschlossen und waren gegangen, ohne selbst Spuren zu hinterlassen.
Mit recht langsamen Schritten ging ich den Weg ab. Mal schaute ich nach vorn, dann wieder zu Boden, und ich holte mir den Traum jetzt bewusst zurück.
Ich dachte intensiv darüber nach, durch welche Gegend ich im Traum gelaufen war. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich als Träumer nicht viel gesehen. Keinen schmalen Pfad, auch keine Bäume. Bei mir oder in meinem Traum war es einfach nur dunkel gewesen.
Hier erlebte ich die normale Umgebung. Wenn das Sonnenlicht an einigen Stellen durchkam, verteilten sich helle Tupfer auf dem Boden. Ich nahm auch den Geruch des Sommers wahr, den der Wind mir in die Nase wehte. Das Aroma aus frisch gemähtem Gras, der Duft wilder Rosen, das alles erinnerte an den Sommer.
Auch jetzt wurde hier gejoggt. Allerdings sah ich die Läufer nur vereinzelt. Sie keuchten an mir vorbei, wenn sie mich überholten, oder liefen mir entgegen. Da der Pfad recht schmal war, musste ich ihnen immer wieder ausweichen.
Im Park selbst war es auch nicht ruhig. Allerdings nahm ich die Geräusche nur gefiltert wahr, als hätten sie sich bewusst von mir zurückgezogen, was ich gar nicht mal als so schlecht empfand.
So hatte ich meine Ruhe und konnte mich sammeln. Der letzte Fall hatte Suko und mich ebenfalls in einen Wald geführt. Beinahe wäre ich aus ihm nicht wieder lebend herausgekommen. Letztendlich waren wir stärker gewesen als der dort wachsende mächtige Totenbaum.
Und hier?
Ein paar Mal hatte ich den Eindruck, von der übrigen Welt getrennt zu sein, aber die Einsamkeit wurde hin und wieder unterbrochen, wenn mich die Stimmen der anderen Besucher erreichten.
Ich blieb irgendwann stehen und befand mich in einer wirklich ruhigen Zone. Die Vegetation hatte gewechselt. Am Beginn der Strecke hatte ich es noch mit hohen Büschen zu tun gehabt. Die waren jetzt von Laubbäumen abgelöst worden, und so sah ich hoch über meinem Kopf ein flaschengrünes Dach.
Hier also war es geschehen!
Begreifen konnte ich das noch immer nicht. Warum hatte ich von dieser Joggerin und deren Tod geträumt? Wenn mir jemand diesen Traum geschickt hatte, dann musste er einen Grund gehabt haben.
Dann wollte er, dass ich mich mit dem Fall beschäftigte. Aber wer war es? Ein Freund oder ein Feind?
Keiner gab mir Antwort auf meine Fragen. Ich hätte längst verschwinden können, denn mein Gefühl, das mich quasi hergetrieben hatte, war wieder verschwunden. Ich stand also mutterseelenallein auf dem schmalen Pfad und den Joggern im Weg.
Es gab für mich nur den Rückweg, denn hier würde ich nicht viel schlauer werden.
Dann passierte es doch!
Was mich genau gewarnt hatte, wusste ich nicht. Es konnte das Hochflattern der Vögel gewesen sein. Sie verließen ihre Verstecke und jagten in die Luft. Dabei stießen sie schrille Pfiffe aus und flatterten über die Kronen der Bäume hinweg.
Ich verfolgte sie mit meinen Blicken, sah sie allerdings nur für eine kurze Zeit, dann waren sie weg.
Es wurde wieder still!
Aber irgendwie anders still, sodass mir ein leichter Schauer über den Rücken lief. Auch in den folgenden Sekunden hielt die Stille an, aber sie wurde trotzdem unterbrochen, als ich bekannte Geräusche hörte.
Jemand lief.
Ein Jogger, der noch nicht zu sehen war. Erst wenn er um eine Kurve kam, würde ich ihn sehen können.
Er kam nicht.
Er lief auch nicht mehr in eine andere Richtung, denn ich hörte keine Echos mehr.
Hatte ich mich geirrt?
Ich konnte es nicht glauben und lief dem Jogger entgegen, um ihn zu treffen.
Er war nicht mehr da!
Am Beginn der Kurve blieb ich stehen. Mein Blick glitt über den schmalen Pfad hinweg, der irgendwann in
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