1422 - Mörderischer Muttertag
nicht mehr bewegte.
Tamina Baker schwebte näher, denn ihr Gehen glich mehr einem Schweben. Sie blieb mit stoßbereitem Messer am Rand der Wanne stehen und schaute hinein.
Tot war der Mann nicht. Sie hatte ihn noch nie gesehen, doch sie spürte, dass er ein Feind war. Trotz seiner Bewusstlosigkeit strahlte er das aus. Sie sah auch, dass er etwas in seiner rechten Hand hielt.
Es war der kurze Griff, der zu einer Peitsche gehörte, denn aus der unteren Öffnung des Griffs waren drei Riemen gerutscht.
Sie konnte sich erinnern, dass sie gesehen hatte, wie der Mann mit der Peitsche einen Kreis schlug. Mehr war ihm nicht gelungen, denn während dieses Vorgangs war er nach hinten gesprungen und so gestolpert, dass er mit dem Kopf gegen die Armatur geschlagen war.
Sie stand vor der Wanne und schaute hinein.
Wenn jemand in der Nähe gewesen wäre, der sie beobachtet hätte, dann hätten diese Augen etwas Bestimmtes gesehen. Nicht nur die Gestalt der Tamina Baker, sondern auch das unruhige Zittern, das den Körper umgab. Als hätte jemand ihre Konturen nachgezeichnet.
Sie überlegte.
Die Peitsche interessierte sie, weil sie so etwas noch nie gesehen hatte. Und sie musste eine Bedeutung haben, sonst hätte der Mann sie nicht gezogen.
Tamina wollte sie an sich nehmen. Sie bückte sich und streckte den linken Arm aus. Die Finger waren bereits gespreizt, doch als sie sich der Peitsche näherten, da zuckte der Arm zurück.
Ein Fauchen war zu hören. Im letzten Augenblick hatte sie die Gefahr gespürt, die von dieser Peitsche ausging. Es war wirklich eine Waffe, und die durfte sie auf keinen Fall anfassen.
Das sonst so starre Gesicht verzerrte sich für einen Moment, bevor es wieder glatt wurde. Sie hatte bemerkt, dass dieser Mensch wegen seiner Waffe ein Feind war.
Und Feinde musste man ausmerzen!
Dafür gab es das Messer!
In den kalten Augen bewegte sich nichts, als sie sich niederbeugte und diesmal den rechten Arm ausstreckte.
Die Klinge war nach unten gerichtet. Sie würde dafür sorgen, dass das Blut des Fremden die Wanne füllte.
Das Messer zielte auf den Hals!
Ein Stoß würde reichen!
Genau in dem Augenblick öffnete sich die Tür, und hinter Taminas Rücken gellte der Schrei auf…
***
»Er bleibt lange weg«, sagte Tina Baker.
»Zu lange?«
»Ich weiß nicht.« Tina blickte ihrem Bruder in die Augen. »Hast du eine Erklärung?«
»Nein, nicht so richtig. Er wollte nur ins Bad, um die Botschaft zu lesen.«
»Genau das ist es. Er wollte die Botschaft lesen. Und das braucht ja nicht viel Zeit, denke ich.«
Beide schwiegen. Sie ließen die Sekunden verstreichen. Tina schaute durch das Fenster auf die Terrasse, wo sie noch am letzten Abend zu dritt mit Sammy gesessen hatten. Jetzt war er tot und lag im kalten Schauhaus. Bei dem Gedanken daran strich ein kalter Hauch über ihren Rücken.
»Kann ja sein, dass er sich noch im Haus etwas umschaut«, meinte Elton.
Tina drehte sich wieder um. »Glaubst du das wirklich?«
»Es ist nur eine Annahme.«
Nach einer Weile meinte Tina: »Ich denke schon, dass wir nach ihm schauen sollten.«
Elton war einverstanden. »Willst du mitgehen oder soll ich allein nachsehen?«
»Lass mich mal hier und schließ die Tür nicht.«
»Abgemacht. Ich bin gleich wieder da.«
Elton Baker verließ den Wohnraum. In der eigenen Wohnung, die er so liebte, kam er sich wie ein Fremder vor. Er fühlte sich nicht mehr sicher. Etwas war hier eingedrungen und hatte alles übernommen, und genau das bereitete ihm Probleme.
Er fing an zu schwitzen. Sein Herz schlug schneller. Es gab keinen Beweis dafür, doch er konnte sich vorstellen, dass seine Wohnung bereits besetzt worden war.
Von Suko hörte er nichts. Das schärfte sein Misstrauen noch mehr.
Er traute sich nicht, die Tür zum Bad sofort zu öffnen. Schwer atmend blieb er stehen und legte sein Ohr gegen das Holz, um zu hören, ob sich im Bad etwas tat.
Das war nicht der Fall. Kein Geräusch drang an seine Ohren.
Er stellte sich die Frage, ob sich Suko überhaupt noch im Bad aufhielt oder ob er sich vielleicht auf den Weg gemacht hatte, um die anderen Räume zu durchsuchen.
Genau das war möglich.
Und dieser Gedanke sorgte für eine Besserung seines Zustands.
Die Angst wurde zurückgedrängt. Jetzt siegte bei ihm die Neugierde. Er legte die Hand auf die Klinke, drückte sie nach unten, holte noch einmal tief Luft und riss die Tür auf.
Der Blick – das Erkennen – und der Schrei!
***
Es war nicht mehr die normale Welt,
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