1422 - Mörderischer Muttertag
ihn nicht so leicht zu verdauen war.
Wenn ich nach meinem Gefühl ging, dann hatte ich den Eindruck, dass es Zeit wurde, das Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Allerdings war Suko ja da. Das hatte mich aber nur kurze Zeit beruhigen können, denn ein vereinbarter Anruf war ausgeblieben.
Auch Bill bemerkte meine Nervosität. »Macht keinen Spaß, wie?«
»Du hast Nerven.«
»Das musste einfach raus.«
»Okay. Zum Glück sind wir gleich da.«
Häuser umgaben uns. Kaum Geschäfte.
Bill suchte nach den Hausnummern. Wir befanden uns bereits in der Straße.
»Wir müssen noch weiter.«
»Bis zum Ende?«
»Kann sein.«
Die Umgebung wirkte fast leer gefegt. Wir sahen keinen einzigen Menschen. Auf einigen Balkonen waren Schirme gegen die Sonne aufgespannt worden, die zwar schien, aber zugleich eine drückende Last war, weil kaum ein Wind wehte und es immer schwüler wurde.
Ich hörte Bills Stimme.
»Halt an!«
Ich lenkte den Rover an den linken Rand der Straße. Das Haus Elton Bakers befand sich auf der anderen Seite. Vier Etagen sahen wir.
An der linken Seite gab es einen schmalen Weg zur Rückfront.
Rechts führte eine Zufahrt im Halbkreis auf eine Tiefgarage zu.
Wir stiegen aus.
Warum mein Herz plötzlich schneller klopfte, wusste ich nicht. Es war wohl das Bauchgefühl, das mich antrieb, schnell die Straße zu überqueren.
Unser Ziel war die Haustür.
Doch dann sahen wir den Mann, der den schmalen Weg an der linken Hausseite genommen hatte und mit schwankendem Oberkörper und torkelnden Schritten praktisch wie auf eine Bühne trat.
»Verdammt, Bill, das ist Elton Baker!«
Der Mann schien den Ruf gehört zu haben, denn er blieb stehen und richtete sich auf. Jetzt sahen wir auch das Blut an seiner Kleidung und auf dem Gesicht.
Wir rannten hin.
Bill konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er richtig zusammenbrach. Ich wagte erst gar nicht, darüber nachzudenken, was mir durch den Kopf schoss. Es waren zu viele Blitze auf einmal. Sie beinhalteten auch den Gedanken an Suko, den wir vorgeschickt hatten, der aber den Angriff der Untoten nicht hatte verhindern können.
»Mutter ist da…«
»Wo?«
»Im Wohnzimmer – Tür offen – Terrasse. Meine Schwester ist allein…«
Das reichte uns. Zwar hätte ich noch gern nach Suko gefragt, doch diese Frage verbiss ich mir.
Jetzt war Tina Baker wichtiger, und ich hoffte, dass wir nicht zu spät kamen…
***
Tina Baker stand im Zimmer und wusste nicht, was sie noch tun konnte. Sie bewegte sich nicht und starrte auf ihre Mutter.
Tamina Baker kümmerte sich nicht mehr um ihren Sohn, denn jetzt wollte sie die Tochter haben, um ihren blutigen Muttertag fortzusetzen.
Tina wartete auf sie. Die Frau war nicht in der Lage, etwas anderes zu tun. Auch in ihr stiegen wieder die Erinnerungen hoch, als sie ihre Mutter sah, denn sie trug noch immer dieselbe Kleidung wie damals, und sie war auch um keinen Tag gealtert.
Das Messer hielt sie fest.
Blut klebte an der Klinge. Es war nach unten gelaufen. Von der Spitze her hatten sich einige Tropfen gelöst, die auf dem Boden eine Spur hinterlassen hatten, als sollten sie den direkten Weg in die Hölle und zum Teufel markieren.
Noch befand sie sich auf der Terrasse, und sie ging nicht mal schnell. Sie wollte die Zeit vor der Tat genießen, und sie hatte ihrer Tochter zudem den Weg abgeschnitten.
Tina fragte sich, ob Tamina mit ihr sprechen würde. Und ob sie überhaupt in der Lage dazu war. War sie nicht tot? Wenn ja, dann konnte sie nicht mehr sprechen. Tote können nicht reden. Tote sind stumm. Sie sind starr und…
Bei ihrer Mutter war alles anders. Die Tote konnte sogar die Lippen zu einem Grinsen in die Breite ziehen, denn genau mit dieser Reaktion verließ sie die Terrasse und betrat das Haus.
Die Falle war zugeschnappt!
Tina hatte keine Kraft mehr. Dass sie noch auf den eigenen Beinen stand, darüber wunderte sie sich selbst. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen, nur brachte sie das nicht zustande.
Sie musste die Mutter ansehen!
Das Gesicht, nur das Gesicht, das eigentlich hatte verbrannt sein müssen, denn Tina erinnerte sich wieder an die grauenvolle Nacht in ihrer Kindheit.
Sie hatte Tamina in der Hütte gesehen. Da hatte sie inmitten der Flammen gestanden. Und sie hatte geschrien. Aber nicht vor Schmerzen, die durch das Feuer hinterlassen worden waren. Bei ihr war es der Ruf nach dem Teufel gewesen. Er hatte ihr damals nicht geholfen.
Oder doch?
Inzwischen musste Tina ihre Meinung
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