1424 - Das Hexenherz
Antwort gegensätzlich klang.
»Du bist nicht stärker als das Kreuz.«
»Vergiss es mal, denn ich möchte dir eine Frage stellen.«
»Ich höre.«
»Vermisst du jemanden?«, flüsterte sie, und ich hörte das Lauern aus ihrer Stimme hervor.
Mir war schon klar, worauf sie hinaus wollte. Trotzdem fragte ich:
»Sollte ich jemanden vermissen?«
»Ich denke schon.«
»Und wen?«
»Deine neue Freundin Justine Cavallo!«
Keine Überraschung. Ich hatte genau gewusst, worauf ihre Frage hinauslaufen würde.
»Sag was, Geisterjäger!«
»Nein, ich vermisse sie nicht besonders, und sie ist auch nicht meine neue Freundin.«
»Aha, so ist das!«, hörte ich ihre scharfe Flüsterstimme. »Dann kann es dir ja egal sein, dass sie als Nächste ihr Herz abgeben wird…«
Musste ich jetzt überrascht sein?
Eigentlich nicht. Assunga war ja dabei, ihr Hexenherz aufzubauen aus welchen Gründen auch immer. Dass sie es aber mit dem Herz einer Vampirin füllen würde, daran hatte ich nicht gedacht. Das passte irgendwie nicht ins Bild.
Vampire haben ein Herz. Um diese Gestalten zu vernichten, musste man ihnen einen Pfahl durch das Herz stoßen, wie es mein leider verstorbener Freund Frantisek Marek in seinem Leben schon so oft getan hatte.
Aber das Herz eines Vampirs schlägt nicht. Es ist – nein, es ruht.
Es muss vorhanden sein. Denn wer einen Vampir vernichten will, der muss es durchstoßen.
Da ich mich so sehr auf den Begriff konzentrierte, hörte ich auch mein eigenes Herz lauter schlagen als gewöhnlich. Und ich ging davon aus, dass wir uns dem eigentlichen Ziel näherten. Assunga wollte das große Herz mit einer besonderen Trophäe schmücken.
Deshalb hatte sie sich die blonde Bestie geholt.
Ich konnte mir leicht vorstellen, dass die Cavallo nicht allzu viele Chancen besaß, trotz ihrer Macht, ihrer Kraft und ihres unbändigen Durchsetzungswillens.
Assunga lebte in ihrer eigenen Welt. Sie hatte sich dort die Gesetze geschaffen, die für sie wichtig waren. Die Hexenwelt war auf sie programmiert, und ich erinnerte mich daran, wie es Dracula II ergangen war, als die Schattenhexe ihn gefangen hatte. Er sollte auf dem Scheiterhaufen seine unselige Existenz verlieren, doch das war der Schattenhexe nicht gelungen, denn eine gewisse Justine Cavallo war schneller gewesen und hatte den Supervampir im letzten Augenblick gerettet.
Das hatte Assunga natürlich nicht vergessen. In ihr loderte die Flamme der Rache, und die würde auf keinen Fall kleiner werden, denn eine Assunga vergaß nichts.
»Du sagst nichts, Geisterjäger…«
»Ich denke nach.«
»Worüber?«
»Ob ich es glauben soll.«
»Und warum hast du Zweifel?«
»Ein Vampirherz schlägt nicht.«
»Das ist richtig.«
»Aber ich sehe vor mir ein gewaltiges Herz, das schlägt. Das genau ist der Unterschied.«
»Du solltest das lockerer sehen. Für mich ist es ein riesiger Spaß, wenn ich das Herz einer Erzfeindin in diesen Reigen integrieren kann. Ich überlege, ob ich es als Mittelpunkt einsetze. Das Zentrum ein Vampirherz, das wäre es doch. Und du wärst dieses Wesen ebenfalls los.«
Da hatte sie Recht. Das traf haargenau zu. Plötzlich stellte ich mir die Frage, ob das tatsächlich so gut war, wie sie mir es weiszumachen versuchte. Ich wusste es nicht. Es konnte sich alles ins Gegenteil wenden, nicht was das Herz anbetraf, sondern mehr unsere Lage.
Hatte ich mich tatsächlich an die Blutsaugerin gewöhnt?
Nach dieser Frage hätte ich fast über mich selbst gelacht. Ich kam mir vor wie auf dem falschen Dampfer. Ausgerechnet ich sorgte mich um eine Vampirin?
Das war mehr als unwahrscheinlich. Nein, das war schon verrückt. Das konnte es nicht geben. Ich sollte dieser Schattenhexe erklären, dass sie mit der Cavallo tun und lassen konnte, was sie wollte.
Trotzdem stand ich nicht voll und ganz dahinter. Meine Gefühle sagten mir etwas anderes, und welcher Mensch kann das schon mit gutem Gewissen ignorieren?
Mir war das in diesem Fall nicht möglich, und so bekam ich einen verdammt trockenen Hals, schaffte es auch nicht, eine normale Antwort zu geben.
Es war nicht gut. Ich musste sehen, dass ich wieder Ordnung in meine Gefühle und Gedanken brachte, denn gewisse Dinge störten mich doch sehr.
Justine Cavallo war und blieb die blonde Bestie, so lange sie existierte, aber es gab auch etwas, das sie von anderen Blutsaugern unterschied. Sie hatte sich eingerichtet, wie man so schön sagt. Ich durfte auch nicht vergessen, dass sie mir das Leben gerettet
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