1424 - Das Hexenherz
Ich bin waffenlos. Ich bin sogar nackt. Ein toller Anblick, den du genießen kannst.«
»Nicht in dieser Lage. Und auch nicht bei dir.«
Sie lachte. Furcht zeigte sie nicht. Ihr Körper hing wie ein großes X in der Luft, wobei die Arme und Beine die Balken bildeten.
Ja, ich hatte die Chance. Hineinstechen in die Brust. Die Klinge tief in den Körper führen, um das Herz herauszuschneiden. Scharf genug war sie. Das Messer würde in die Haut eindringen wie in Butter, aber verdammt, ich wollte auch nicht, dass Assunga triumphierte.
Wenn ich das Herz herausschnitt, hatte sie gewonnen. Sie würde es nehmen und ihrem verdammten Hexenherz zuführen, wo dieses nicht schlagende Herz den Mittelpunkt bilden würde.
Dann hatte sich Assunga einer Feindin entledigt. Und ich war zu ihrem Gehilfen geworden.
Sie schien es zu akzeptieren, dass ich noch nachdachte, denn sie forderte mich nicht auf, endlich zur Tat zur schreiten. Ich wusste auch nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen war und wie lange ich schon vor Justine stand. Das war alles nebensächlich geworden.
Mein Blick traf ihr Gesicht.
Gab es eine Reaktion?
Ich sah sie nicht. Sie war kein Mensch. Die Züge blieben glatt. Ich glaubte auch nicht daran, dass Vampire irgendwelche Gefühle hatten. Wenn, dann gab es nur ein Gefühl, und das war die verdammte Gier nach Blut, die eigentlich immer vorhanden war.
»He, was ist, Partner?«
Ich nickte ihr zu. »Sind wir Partner?«
»Manchmal waren wir es.«
»Ich habe es nie anerkannt.«
»Weiß ich. Deshalb kannst du auch jetzt das Messer benutzen. Du brauchst keine Sorge zu haben. Ich werde nicht schreien oder durchdrehen. Du kannst dich voll und ganz deiner Aufgabe widmen. Das ist es doch, was dir Spaß macht – oder?«
»Ich weiß nicht, ob es Spaß macht…«
»Du musst es tun, John. Sonst machen sie dich fertig. Mich haben sie schon geschafft.«
»Was mich wundert!«
»Es war das verdammte Herz. Es hat mich verschlungen. Es wurde zu einem gierigen Maul und hat mich hier ausgespien. Ich konnte daran leider nichts ändern.«
»Sinclair!«
Assunga schrie mich an. Ihr Geduldsfaden war gerissen. Ihre Stimme kippte fast über, und ich drehte mich zu ihr um.
Die Schattenhexe stand da wie zum Sprung.
»Was ist?«
»Soll ich es tun? Bist du zu feige? Hast du vergessen, wer sie ist? Hat dich ihr Aussehen geblendet? Sie ist kein Mensch, verdammt! Überschätze meine Geduld nicht!«
»Ich weiß.«
»Jetzt bist du gefordert«, flüsterte die blonde Bestie. »Jetzt hast du die einmalige Chance. Jane Collins könnte wieder allein in ihrem Haus wohnen. Alles wäre so wie früher. Kann man das nicht als ideal ansehen, John?«
»Irgendwie schon.«
»Dann tu es!«
Ich bewegte meinen rechten Arm. Bisher hatte er starr nach unten gehangen. Ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte, wenn ich überleben wollte. Zumindest musste ich es so aussehen lassen.
Justine sah das Messer jetzt aus der Nähe. Wieder grinste sie und flüsterte: »Eine hübsche Waffe, wirklich. Sicherlich ist sie rasiermesserscharf. Du wirst keine Probleme bekommen. Und wenn du es geschafft hast, kannst du dich ja mit Assunga zusammentun. Die Schattenhexe und der Geisterjäger. Auch eine gute Kombination.«
Nach diesen Sätzen grinste sie mich an. Und jetzt zeigte sie mir ihre beiden Eckzähne. Vielleicht wollte sie mir klar machen, dass ich mich davor nicht mehr zu fürchten brauchte. Aber sie sagte mir nicht, dass sie gern mein Blut getrunken hätte.
Ich führte das Messer in einem leichten Bogen über ihren Körper hinweg. Noch befand es sich in der Nähe des Halses. Um das Herz zu erwischen, musste ich tiefer ansetzen. Ich wusste ja, wo es bei einem Menschen schlug, aber hier schlug es nicht. Es lag starr in ihrer Brust, nur eben an der gleichen Stelle.
Noch einmal bewegte ich die Hand. Ich führte die Klingenspitze dicht über die helle, straffe und faltenlose Haut und suchte mir die Stelle unter der linken Brust aus. Noch berührte die Spitze den Körper nicht.
Die Cavallo hatte den Blick gesenkt. Sie schaute zu und gab mir sogar Anweisungen, wo ich anfangen sollte.
»Jetzt, John!«
Ich gehorchte.
»Sehr gut«, lobte sie mich, als die Spitze des Messers ihre Haut hauchzart berührte.
»Dann stich endlich zu, Sinclair!«, fuhr die scharfe Stimme der Schattenhexe mich an.
»Keine Sorge. Ich tue alles, was du willst.«
Ein leichter Druck.
Die Haut setzte mir keinen Widerstand entgegen. Das war wie bei einem normalen Menschen. Ich
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