1425 - Medusas Vermächtnis
schluckte dabei und stammelte schließlich: »Wieso das denn?«
»Ich hätte ihn nicht allein lassen sollen. Tim ist einfach zu neugierig gewesen.«
Der Agent begriff. »Das Bild?«
»Ja, verflucht!«
Goodrow erbleichte. »Aber du hast es doch versteckt. Oder hast du es offen…«
»Nein, nein, das habe ich nicht. Wie kommst du nur darauf? Ich bin doch nicht verrückt.«
»Und trotzdem ist dieser Tim…«
»Er war zu neugierig, Gerard. Er ist einfach zu neugierig gewesen, verstehst du? Er ist in den Dark Room gegangen, weil er sehen wollte, was ich dort abgestellt habe.« Schultz nickte vor sich hin. »Ja, und dann hat er es gesehen. Es muss grauenhaft für ihn gewesen sein.«
»Ist er denn – ist er – zu Stein…«
»Ich denke schon.«
»Dann hast du ihn gesehen?«
»Ja.«
»Aber du bist nicht…«
»Ich habe die Tür nur einen Spalt geöffnet, gerade so weit, dass ich einen Blick in die Kammer werfen konnte. Ja, und dann habe ich ihn gesehen, verstehst du? Er lag auf dem Boden. Nichts an ihm bewegte sich mehr. Ich habe ihn nicht angefasst, aber mir war schon klar, was mit ihm geschehen war. Grauenhaft, kann ich dir nur sagen.«
Für Goodrow gab es keinen Grund, an den Worten des Mannes zu zweifeln. Er konnte nur den Kopf schütten, einen Kommentar abzugeben war ihm unmöglich.
»Gut, dann werde ich ebenfalls einen Blick auf ihn werfen.«
Schultz erschrak. »Willst du versteinern?«
»Nein, bist du versteinert?«
»Ich habe aufgepasst.«
»Das werde ich auch.«
»Klar.« Schultz musste lachen. »Mach, was du willst. Ich kann dich nicht daran hindern.«
»Keine Sorge, ich bekomme die Dinge schon in den Griff.«
»Wir werden ja sehen.«
Wohl war Gerard Goodrow nicht, als er sich der Tür näherte, hinter der das Grauenhafte geschehen war. Er spürte eine Eiseskälte wie eine zweite Haut auf seinem Rücken liegen. Sein Herz schlug schneller. Er hatte das Gefühl, dass er sich mit jedem Schritt ein Stück weiter aus der Realität entfernte.
Vor der Tür des Dark Room blieb er stehen und sammelte sich.
Ein letzter Blick über die Schulter auf Schultz. Der saß angespannt auf dem Stuhl, als wollte er jeden Moment in die Höhe schnellen. Er sagte nichts, und Gerard lächelte ihm krampfhaft zu.
Dann öffnete er die Tür.
Natürlich sehr vorsichtig. Ein falscher Blick, und es war um ihn geschehen.
Tim Ferber lag verkrümmt auf dem Boden. Durch den Türausschnitt war nur sein Unterkörper zu sehen. Gerard wusste ja, dass der junge Mann nicht mehr lebte. Er konnte ihm also nicht mehr helfen.
Aber was war mit dem Bild?
Genau das war jetzt wichtig. Goodrow wusste, dass er einen großen Teil der Verantwortung für den Tod des Jungen trug. Ihm war auch klar, dass sie das Bild nicht offen in der Kabine stehen lassen durften, und das sagte er auch dem Galeristen.
Schultz hob die Schultern. »Was willst du denn dagegen tun?«
»Ich werde es verdecken.«
»Dann musst du hinein.«
»Genau!«
Schultz stand auf. »Bist du lebensmüde?«
»Nein, das bin ich nicht. Aber ich habe etwas gesehen, und ich kenne mich in deiner Kammer aus.«
»Da bin ich gespannt.«
»Ich habe die Decke gesehen. Ich weiß genau, wo sie liegt. Ich kann also mit geschlossenen Augen in den Dark Room hineingehen und finde mich dort zurecht. Dann nehme ich die Decke hoch und werde sie über das Bild hängen. Alles mit geschlossenen Augen. Es ist zunächst mal die einzige Chance.«
Schultz dachte kurz nach. Dann nickte er. Es gab in der Tat keine bessere Möglichkeit.
»Alles klar?«
»Geh schon.«
Goodrow lächelte nicht, er grinste. Auch ihm ging das Vorhaben auf die Nerven, aber es gab nun mal keinen anderen Weg. Die Regeln mussten eingehalten werden.
Diesmal öffnete er die Tür weiter. Schon während er das tat, schloss er die Augen. Er hatte sich die Lage des Toten gemerkt.
Trotzdem stieß er mit der rechten Fußspitze gegen die Gestalt, bevor er einen Schritt über sie hinweg machte. Seiner Ansicht nach musste er in der unmittelbaren Nähe des Bildes stehen. Und da lag dann auch die Decke.
Er bückte sich und streckte den rechten Arm aus. Zuerst tastete er noch über den Boden hinweg. Dann berührten seine Fingerspitzen den weichen Stoff der Decke.
Sofort griff er zu.
Er hob sie an, ertastete auch den Rahmen, wusste also, wo das Bild stand, und faltete die Decke auseinander. Das alles mit zusammengekniffenen Augen.
Als der Stoff seiner Meinung nach über dem Bild hing, ließ er ihn fallen. Wieder fühlte er
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