1425 - Medusas Vermächtnis
noch nichts Schlimmes entdeckt, trotzdem zog sich in seiner Brust etwas zusammen. Die kleine Welt um ihn herum war in einer tiefen Stille versunken. Die Geräusche von den anderen Ständen hörte er nicht mehr.
Es gab für ihn nur noch die Tür, die er sich kaum zu öffnen traute.
Trotzdem – es musste sein.
Sehr behutsam zog er sie auf. Und er hatte richtig vermutet, die Tür war nicht verschlossen. Seine Hand zitterte, als er sie nach dem Türgriff ausstreckte, und er brachte es nicht fertig, sie weiter als einen schmalen Spalt zu öffnen.
Er schaute durch diesen Spalt.
Es brannte Licht, und deshalb sah er es sofort. Das Blut stieg ihm in den Kopf. Er hatte den Blick gesenkt und schaute auf die Beine des am Boden liegenden Tim Ferber.
Der Galerist erstarrte. Die Adern an seinem Hals schwollen an. Er hatte das Gefühl, der Kopf musste ihm zerspringen.
Er widerstand der Versuchung, die Tür noch weiter zu öffnen. Etwas sagte ihm plötzlich, dass es besser war, Vorsicht walten zu lassen.
In diesem Dark Room befand sich etwas, das wie eine Leihgabe aus der Hölle wirkte.
Medusas Vermächtnis!, dachte er. Das Bild, das bereits in London einem Menschen den Tod gebracht hatte, wie er von Gerard Goodrow wusste. Und nun war es hier passiert.
Er glaubte nicht daran, dass Tim Ferber noch lebte. Wenn er die Tür weiter öffnete, dann würde er eine steife Leiche sehen, die dort am Boden lag.
Michael Schultz schloss die Tür wieder. Er hatte den Eindruck, dass der Boden unter ihm schwankte, und als er sich zur Seite drehte, musste er für einen Moment gegen die Übelkeit ankämpfen.
Er fragte sich, was geschehen war. Welche unheimliche Macht hatte er sich in seine Nähe geholt?
Er fand keine Antwort auf seine Frage. Das Grauen war einfach da. Es hatte in der normalen Welt seine Zeichen hinterlassen und den Menschen zugleich ihre Grenzen aufgezeigt.
Der Galerist verfluchte sich, dass er sich auf so etwas eingelassen hatte, und als er schließlich an dem Tisch saß, an dem auch der Student vorhin gesessen hatte, konnte er sich kaum daran erinnern, wie er überhaupt dorthin gekommen war.
Wie abwesend saß er eine Weile da. Nur allmählich verlor die Umgebung ihr fremdes Aussehen. Er nahm sie wieder normal und mit all seinen Sinnen wahr. Der Dunst klärte sich, und der Mann war froh, wieder durchatmen zu können.
Es wurde von einem Stöhnen begleitet. Er senkte den Kopf, wischte über seine schweißbedeckte Stirn und hatte den Eindruck, dass sein normales Leben in zahlreiche Puzzleteile zerrissen worden war.
Ein gutes Gefühl hatte er bei der Sache nie gehabt. Nun aber musste er sich darauf einrichten, mit dem Grauen zu leben. Wie er damit fertig werden sollte, stand in den Sternen. Er gehörte zu den Menschen, die bisher im Leben alles geschafft hatten. Über Probleme hatte er gelacht. Sie waren da, um aus der Welt geschafft zu werden.
So hatte er es immer gehalten und war dabei gut gefahren.
Aber jetzt…
Es war ihm unmöglich, an die nahe Zukunft zu denken. Er wusste nicht, wie er aus dieser Klemme herauskommen sollte. Er machte sich Vorwürfe, auf Goodrows Plan eingegangen zu sein.
Genau, Goodrow! Er wollte kommen. Er würde auch kommen, und er würde die Karten auf den Tisch legen müssen, das stand für ihn fest. Er würde ihn mit den brutalen Tatsachen konfrontieren. Er würde diesem Mann einiges erzählen, und er musste ihm sagen, wie es weitergehen sollte. Er und ebenso die Künstlerin, die auch hier am Stand erscheinen sollte.
Tief durchatmen. Ruhe bewahren.
Er merkte, dass ihm kalt und heiß zugleich wurde, und als er die Bewegung vor sich sah, richtete er sich auf.
Gerard Goodrow kam. Wie immer lächelnd. Er bewegte sich locker, als gäbe es in dieser Welt keine Probleme. Seine Augen blitzten. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich auf die Eröffnung freute.
Er blieb vor dem Galeristen stehen, winkelte die Arme an und stemmte die Fäuste in die Hüften.
»He, was ist los? Du sitzt hier und…« Nach und nach zerbrach seine Heiterkeit, denn er musste nur einen Blick in das Gesicht des Galeristen werfen, um zu wissen, dass hier etwas nicht stimmte.
»Halt den Mund, Gerard!«
Goodrow schloss für einen Moment die Augen. »Es ist etwas passiert – oder?«
»Ja, das ist es.«
»Und was?«
Schultz schwieg. Es fiel ihm schwer, die Wahrheit zu sagen. Erst nach einem tiefen Stöhnen rückte er damit heraus.
»Tim Ferber, mein Helfer, ist tot.«
Goodrow sagte nichts. Er atmete stoßweise,
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