1430 - Der Vampir-Clown
du noch eine Salami, John?«
»Nein, lass mal.«
»Einen Keks?«
»Auch nicht.«
»Selbst schuld.«
»Ich melde mich schon, wenn ich Hunger habe. Erst einmal habe ich mich mit der Gummiwurst abgefunden.«
»Du bist auch mit gar nichts zufrieden.«
»Es kommt darauf an.«
»Ja, ja, du…«
Plötzlich meldete sich Justine Cavallo. Wir hatten in der letzten Zeit kaum mehr an sie gedacht, umso überraschter traf uns ihre Stimme, die aus dem kleinen Lautsprecher drang, der in Janes Ohr befestigt war.
Sie hatte die Stimme deutlicher gehört. Ich hatte nur ein Quäken vernommen. Jane wusste, was sie zu tun hatte. Sie hängte den Lautsprecher ab und behielt ihn in der Hand, sodass ich mithören konnte.
»Es hält ein Wagen, ein Volvo. Schwarz oder dunkelblau. Ich werde jetzt einsteigen und melde mich, wenn ich es für richtig halte. Ich denke, dass wir weiter geradeaus in Richtung Horns Cross fahren. In ein weites Tal hinein.«
Jane kam nicht mehr dazu, eine Frage zu stellen, denn die Cavallo unterbrach die Verbindung.
»Verdammter Mist!«, fluchte Jane gar nicht ladylike.
Ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen. »Fragen wir mal so. Hast du etwas anderes von ihr erwartet? Sie mischt zwar mit, aber an die Kette lässt sie sich nicht legen.«
»Das muss man wohl so sehen. Ich hoffe nur, dass sie keinen Alleingang startet.«
»Rechne mit allem. Sie will später als die große Siegerin dastehen. Das habe ich nicht erst einmal mit ihr erlebt. Justine geht immer ihre eigenen Wege.«
»Solange sie letztendlich zu uns zurückfindet, ist das ja nicht besonders tragisch.«
»Das meine ich auch.«
Wir warteten, aber uns war nicht mehr so langweilig. Es war etwas passiert, auch wenn wir nicht direkt mit von der Partie waren.
Wir hatten es nicht anders gewollt und die Cavallo als Lockvogel eingesetzt. Und sie schien Erfolg gehabt zu haben. Jemand hatte gehalten, um sie als Tramperin mitzunehmen. Ob es diejenige Person war, die auch mit dem Verschwinden der anderen Frauen zu tun hatte, das stand in den Sternen. Es konnte sich auch alles als ganz harmlos herausstellen.
Diesmal fing Jane an zu essen. Sie hatte sich für Kekse entschieden, und die einzigen Geräusche waren das Knacken, wenn sie die Dinger auseinander brach.
Ich verzog die Nase, und Jane musste lachen. »Dir gefällt das Geräusch nicht?«
»Wem kann das schon gefallen?«
»Aber die Kekse schmecken gut. Es sind echte Butterkekse. Waren auch teuer.« Aus einem Becher trank sie zwischendurch einen Schluck Kaffee.
Wir hatten die hinteren Scheiben nach unten fahren lassen, sodass frische Luft in den Wagen strömen konnte. Hier roch es anders als in London. Es war ein Duft, den der Sommer mit sich brachte, denn dieser frische Waldesduft war einfach einmalig.
»Was könnte man mit den verschwundenen Frauen angestellt haben?«, fragte Jane.
»Ich hoffe nicht, dass sie tot sind. Das wäre für uns eine verdammte Niederlage.«
»Sicher. Aber welche Möglichkeiten kommen sonst noch für dich in Betracht?«
»Ich weiß es nicht. Ich will auch nicht spekulieren.«
»Manches ist schlimmer als der Tod«, sagte Jane.
»Leider.«
»Frauen sind zumeist die großen Verlierer. So war es, so wird es immer bleiben, falls sich nicht radikal etwas ändert. Noch sehe ich da kein Land in Sicht.«
»Du bist davon doch nicht betroffen, Jane.«
»Zum Glück nicht. Aber ich bin eine Ausnahme und habe verdammt viel Glück im Leben gehabt. Dass ich bei Lady Sarah wohnen konnte und das Haus jetzt mir gehört, war auch eine Fügung des Schicksals. Manchmal frage ich mich, ob ich das überhaupt verdient habe.«
»Dafür musst du mit Justine Cavallo leben.« Ich lächelte sie an.
»Alles hat zwei Seiten.«
»Klar. Das Haus ist groß genug. Sogar noch für eine dritte Person.«
»Ach.« Ich spielte den Erstaunten. »An wen hat du denn dabei gedacht?«
»An dich natürlich.«
Das Lächeln gefror mir auf den Lippen.
»Nicht?«, fragte Jane.
Ich wand mich etwas. »Nun ja, ich finde das Haus von Lady Sarah nicht schlecht. Es ist sogar einmalig in seiner Art, aber ob ich meine Wohnung verlassen will…« Ich hob die Schultern. »Ich habe mich einfach zu sehr an das Apartment gewöhnt.«
»Und Suko und Shao leben nebenan.«
»Das auch.«
»Außerdem brauchst du deinen Freiraum.«
»Du kennst mich gut, Jane.«
»Ja, ja, eigentlich schon verdammt lange.«
»Da können wir es auch bei dem gegenwärtigen Status belassen, finde ich.«
»Wie du meinst.«
Zufrieden
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