1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
doch sie hatte sich nicht getraut, seine Nummer zu wählen. Er war ihr noch zu fremd gewesen, um sie mit ihren persönlichen Problemen zu belasten.
Auf der Fahrt zu ihrem Haus hatte sie anders gedacht und sich schließlich überwinden können, den Anruf zu tätigen. Wie der Mensch Sinclair reagiert hatte, fand sie schon klasse, und jetzt hoffte sie, dass er so schnell wie möglich bei ihr sein würde.
Allerdings würde Zeit verstreichen, und draußen würde es bald dunkel sein. Hier standen mehrere dieser Flachdachhäuser in einer Reihe und zueinander versetzt, sodass jeder Bewohner eine gewisse private Sphäre auch auf der Terrasse besaß.
Selbst gebaut hatten die Finleys das Haus nicht. Sie hatten es einem Bekannten abgekauft, der nach Australien gegangen war, um dort Karriere zu machen.
Kate konnte nichts mehr tun. Es begann das große Warten, und sie wollte nicht einfach im Sessel hocken und jede Minute auf die Uhr schauen. Es war besser, wenn sie sich beschäftigte und ablenkte. Sie hatte vor, Getränke bereitzustellen und auch ein paar Happen vorzubereiten. Sean hatte sich darauf immer gefreut, wenn sie die Fingerfoods auftaute.
Zunächst ging sie ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Es war der Raum, den sie nach Seans Tod so ungern betrat, denn wenn sie über die Schwelle trat, dann stürzten die Erinnerungen auf sie ein, denn das breite Doppelbett schien darauf zu warten, dass sich zwei Personen dort hinlegten.
Doch seit Seans Tod war es nur noch eine.
Kate betrat das Schlafzimmer. Sie fing an zu zittern, und sie hielt nur mühsam die Tränen zurück. Die Vorhänge hatte sie geschlossen, so konnte niemand von draußen hereinschauen.
Kate versuchte, das Bett nicht zu beachten, als sie auf den Kleiderschrank zuging. Es war ein sehr breites Möbel, und er enthielt nicht nur ihre Kleidung, sondern auch die ihres Mannes. Kate dachte gar nicht daran, die Sachen abzugeben oder zu verkaufen. Es sollte alles so hängen bleiben, wie es war.
Sie entschied sich für eine dunkelblaue Cordhose, einen dünnen, locker fallenden Pullover in einem neutralen Weiß. Dann schlüpfte sie aus dem Kostüm und ging ins Bad. Dazu brauchte sie nur eine Seitentür zu öffnen. Sie machte sich frisch. Früher hatte sie stets skeptisch in den Spiegel geschaut, um ihre etwas mollige Figur zu kontrollieren, doch dafür interessierte sie sich jetzt nicht.
Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Der Tag hatte seine Spuren hinterlassen. Besonders nahe der Augen, wo sich die ersten Falten gebildet hatten, aber die übersah sie. Weniger gefielen ihr die Ringe, die sich grau unter ihren Augen abzeichneten.
Wohl fühlte sich Kate nicht eben, und sie legte etwas Rouge auf.
Und wieder fiel ihr etwas auf. Das war immer so, seit Sean sein Leben verloren hatte.
Es war die Ruhe im Haus. Das kannte sie nicht. Diese Stille, die sie bedrückte. Und selbst wenn sie die Glotze einschaltete oder das Radio, war die Stille nicht verschwunden.
Einen letzten Blick gönnte sie dem Spiegel. Da war nichts Ungewöhnliches zu sehen, nur sie selbst. Kein zweites flaches Gesicht, das sich über das ihre schob.
Nachdem sie die Cordhose angezogen und den weißen Pullover übergestreift hatte, führte ihr nächster Weg in die Küche. Sie befand sich allein im Haus, und trotzdem verhielt sich Kate wie jemand, der sich heimlich beobachtet fühlte.
Sie drehte sich auf dem Weg sogar zweimal um, ohne allerdings jemand zu entdecken.
Das Gefühl blieb trotzdem. Die nächsten Arbeiten führte sie roboterhaft durch. Mit den Gedanken war sie ganz woanders. Sie holte aus dem Kühlfach die Fingerfoods. Sie mussten in die Mikrowelle geschoben werden, damit sie auftauten. Danach wollte Kate sie auf einen Teller legen.
Es dauerte nicht lange, da konnte sie die Häppchen wieder aus der Mikrowelle holen.
Und dann meldete sich ihr Handy!
Kate hatte es im Flur abgelegt. Sie verließ die Küche und eilte mit raschen Schritten hin. Wer anrief, wusste sie nicht, aber ihr Gefühl war nicht positiv.
Auf dem Display entdeckte sie zwar eine Nummer, doch Kate war zu nervös, um sie zu erkennen. Wenig später bestätigte sich ihr Gefühl, als sie sich gemeldet hatte.
»Ich bin es.«
Kate schloss für einen Moment die Augen. »Was willst du, Glen?«
Er lachte. »Kannst du dir das nicht denken?«
»Nein.«
»Dann sage ich es dir. Ich will wissen, ob du dich entschieden hast.«
»Was meinst du?« Bewusst wich sie einer klaren Antwort aus. Sie hörte einen zischenden
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