1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
mit der Hilfe meines Kreuzes. Bei dieser Aktion war er mir fast vorgekommen wie mein Nachfolger. Aber noch war es nicht so weit.
Das Telefon meldete sich.
Es stand in der Nähe, und so blieb ich sitzen, als ich es in die Hand nahm und ans Ohr hielt.
»Ja…«
Zunächst hörte ich nur ein etwas heftig klingendes Atmen. Da schien sich jemand nicht zu trauen.
»John Sinclair?«
»Ja, wenn Sie…«
»Gut, ja, das ist gut. Ich bin Kate Finley.«
»He, jetzt erkenne ich Sie.«
»Schön, dass ich mit Ihnen sprechen kann.«
»Und was haben Sie auf dem Herzen?«
Die Frage schien ihr nicht so richtig zu passen, denn ich hörte zunächst mal keine Antwort. Schließlich sagte sie: »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, und möchte Ihnen auch keineswegs zur Last fallen, aber ich habe schon meine Probleme.«
»Wie sehen die aus?«
»Angst…« Es folgte eine kurze Pause. »Ja, Mr Sinclair, ich habe einfach Angst.«
»Gut, Mrs Finley, das habe ich verstanden. Darf ich fragen, wovor Sie Angst haben?«
»Vor dem Kompagnon meines Mannes, vor diesem Glen Griffin. Ja, vor ihm fürchte ich mich. Ich habe ihn in einem Restaurant getroffen und konnte ihn durchschauen…«
»Hm – verstehe. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir Einzelheiten zu berichten?«
»Nein, ganz und gar nicht. Aber Sie dürfen mich nicht für eine übernervöse Zicke halten.«
»Das auf keinen Fall.«
»Dann hören Sie bitte zu.«
Genau das tat ich. Und so erfuhr ich, was Mrs Finley im Restaurant und von allen Dingen in dessen Waschraum passiert war. Es war für mich wie ein Schlag ins Gesicht, denn ich glaubte ihr jedes Wort. Natürlich hatte ich eine erste Nachfrage.
»Und diese Stimme hat tatsächlich vom Teufel gesprochen, als sie später wieder am Tisch saßen?«
»Genau, Mr Sinclair, das hat sie. Und ich habe sie verdammt gut verstanden. Sie müssen mir glauben, dass kein Wort von dem, was ich Ihnen gesagt habe, gelogen ist.«
»Daran habe ich auch nie gedacht. Es ist nur so, dass ich mir ein Bild machen möchte.«
»Und? Können Sie das jetzt?«
»In Umrissen schon.«
»War das alles?«
Ich lachte. »Nein, Mrs Finley. Jetzt sind Sie an der Reihe. Sagen Sie mir, was Sie sich ausgedacht oder zu welch einem Entschluss Sie sich durchgerungen haben.«
»Ja, das ist recht simpel. Vorausgesetzt, Sie stimmen zu, Mr Sinclair.«
»Bitte, Mrs Finley.«
Sie zögerte noch. Es war ihr wohl unangenehm, mit der Sprache herauszurücken. Aber ihre Furcht war stärker, und sie fragte mit bebender Stimme: »Würden Sie denn zu mir kommen, um mich zu beschützen?«
Ich hatte mir schon gedacht, dass ein solcher Vorschlag folgen würde, und dachte einen Moment nach.
»Zu Ihnen in die Wohnung?«
»Ja, in mein Haus.«
»Ist die Angst wirklich so groß?«
»Das kann ich Ihnen versichern.«
Mir war klar, dass ich etwas tun musste. Ich konnte die Frau nicht im Stich lassen.
»Gut«, sagte ich nach einer kurzen Wartezeit. »Wo wohnen Sie, Mrs Finley?«
Erst mal atmete sie auf. Dann erfolgte die Antwort. »Ich habe mein Haus in Fulham. Nicht weit von der Chelsea-Arena entfernt. Ich wohne praktisch zwischen ihr und der U-Bahn-Haltestelle Fulham Broadway. Die Straße heißt Farm Lane.«
»Okay, das habe ich verstanden.«
»Werden Sie denn auch wirklich kommen?«, flüsterte sie in den Hörer.
»Versprochen.«
Nach dieser Antwort herrschte zunächst Schweigen. Kate Finley schien ihr Glück nicht fassen zu können. Ich hörte noch, dass sie etwas sagte, ohne sie allerdings genau zu verstehen.
»Und wann wird das sein?«
»Wann immer Sie wollen.«
»Sofort?«
»Meinetwegen.«
»Danke, Mr Sinclair, danke. Ich warte auf Sie, und ich verspreche Ihnen, dass ich keine hysterische Person bin, die durchdreht.«
»Keine Sorge, das weiß ich.«
»Dann bin ich beruhigt.«
Genau das war ich nicht. Ich hatte das Gefühl, dass sich etwas zusammenbraute, und geirrt hatte ich mich dabei selten, aber das musste Kate Finley ja nicht unbedingt erfahren…
***
Kate legte den Hörer wieder auf. Dicht neben einem Sessel stehend hatte sie telefoniert. Jetzt ließ sie sich aufatmend in ihn hineinfallen.
Er war groß, ihr Mann hatte ihn immer benutzt. Nun war er zu ihrem Lieblingssessel geworden, denn wenn sie in ihm saß, dann hatte sie jedes Mal den Eindruck, noch immer die Wärme ihres Mannes zu spüren wie ein zurückgelassenes Erbe.
Sie war froh, John Sinclair angerufen zu haben. Im Auto sitzend, hatte sie zwar das Handy bereits in der Hand gehalten,
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