1434 - Todeswünsche
Meine Trümpfe hatte ich noch nicht ganz auf den Tisch gelegt. Es war gut, immer etwas in der Hinterhand zu haben.
Suko hatte mich verstanden. Er hielt sich zunächst zurück. So konnte er sehen, wie ich mit recht gelassenen Bewegungen an der Kette zog und mein Kreuz hervorholte.
Rita Franklin beobachtete mich sehr genau, aber ihr Blick veränderte sich nicht.
Oleg hatte meine Aktion ebenfalls gesehen. Er flüsterte etwas in seiner Heimatsprache vor sich hin. Daran störte ich mich nicht, denn jetzt war es allein wichtig, wie sich Rita verhielt.
Der Spuk selbst ließ sich von meinem Kreuz nur wenig beeindrucken. Er war nicht der Teufel. Er stand auch nicht unbedingt auf der Seite der Hölle. Trotzdem war ich gespannt, wie Rita reagieren würde. Ob sie zurückwich? Ob sie angriff oder…
»Was soll das, John Sinclair? Ein Kreuz?«
»Wie du siehst.«
»Ich weiß nicht…«
»Du kannst es anfassen!«
Rita zögerte, was mir so etwas wie Hoffnung gab. In ihrem noch leicht kindlichen Gesicht bewegten sich die Brauen zuckend. Sie deutete auch ein schwaches Kopfschütteln an und nickte mir schließlich zu, wobei sie auch einen Schritt vortrat.
»Wenn du willst, werde ich es in die Hand nehmen. Ja, ich möchte es spüren.«
»Bitte.«
Das Wort hatte ich etwas kratzig ausgesprochen. Danach schob ich meine Hand auf Rita Franklin zu. Ich rechnete damit, dass sie zugriff und nicht im letzten Augenblick einen Rückzieher machte.
Und dann fasste sie das Kreuz an. Es kam mir schon etwas ungewöhnlich vor, es mir von einer Person wie Rita Franklin nehmen zu lassen. Aber ich hatte es nicht anders gewollt, und nun war ich gespannt, was dieser Aktion folgen würde.
Zunächst mal nichts. Das Kreuz reagierte nicht negativ auf die fremde Besitzerin. Sie hielt es ebenso fest wie ich, und sie schaute es sich auch an.
Hinter uns lachte der Killer. Wir achteten nicht darauf. Ich hörte dafür Sukos Stimme, und die klang nicht eben fröhlich.
»Ich glaube, du hast da auf das falsche Pferd gesetzt, John. Das scheint nichts zu werden.«
Das befürchtete ich auch. Nur behielt ich diese Meinung für mich.
Es war ja noch Zeit. Ich hatte auch vor, die Aktivierungsformel zu sprechen, wenn sich so nichts tat.
»Hast du es mir geschenkt, John Sinclair?«, fragte Rita mit einer kindlich hohen Stimme.
»Nein, bestimmt nicht.«
»Was soll ich damit? Es ist etwas da, das spüre ich, aber ich bin nicht der Teufel, den man mit dem Kreuz bekämpfen kann. Ich bin auch kein Vampir. Ich bin jemand, der etwas von einer anderen Welt mitbekommen hat. Von einem Gesicht, von der absoluten Dunkelheit. Ich habe mir etwas gewünscht, und es wurde mir erfüllt. Ich weiß auch, wer mir diesen Wunsch erfüllt und mich stark gemacht hat. Sogar stärker als dieses seltsame Kreuz…«
Was sie damit meinte, bekam ich zu sehen, und ich konnte beim besten Willen nicht sagen, dass es mich erfreute. Da passierte etwas, das ich schon mal erlebt hatte, denn nicht Rita Franklin war es, die mir ihre Kraft präsentierte, es war die Macht, die hinter ihr stand und die man als mörderisch ansehen konnte.
Das Kreuz erhielt keine andere Form, aber es nahm eine andere Farbe an.
Von unten her stieg etwas an und in ihm hoch. Zuerst sah ich es als einen grauen Fließschatten, der einzig und allein auf das Kreuz konzentriert blieb.
Die Veränderung ging weiter, denn die graue Farbe blieb nicht so.
Sie nahm an Intensität zu, sie wurde dunkler und näherte sich der absoluten Schwärze.
Höher und höher stieg sie. Wer sie beschreiben wollte, der musste automatisch an Ruß denken, und je höher die schwarze Schattenfarbe stieg, umso stärker begann mein Herz zu klopfen.
Ich erinnerte mich, dass mich der Spuk schon mal angegriffen und wehrlos gemacht hatte. Dabei hatte ich ebenfalls auf mein Kreuz gesetzt und verloren, denn die Macht des Spuks hatte es übernommen und ihm diese absolute Schwärze gegeben. Da gab es kein Blinken mehr.
Ich sah keinen hellen Silberstreifen, alles war wie mit einer schwarzen Farbe überpinselt. Sie sah aus wie die in den Augen der jungen Frau, die vor uns stand und sich nicht bewegte.
Aber sie lächelte, und das war ein Zeichen, dass sie sich wohl fühlte. Der Spuk hatte sie zu seiner Handlangerin gemacht.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie recht leise fragte: »Meinst du dieses Kreuz? Ist es für dich so wichtig?«
Ich schluckte. Eine Antwort kam mir in diesen Augenblicken nicht über die Lippen.
»Nein, damit lasse
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