1434 - Todeswünsche
ich mich nicht stoppen, John. Damit kannst du mir keine Angst einjagen.« Sie hob nahezu lässig die Schultern an und tat etwas, das mir einen Stich versetzte.
Sie ließ das Kreuz fallen!
Da der Boden nicht mit einem weichen Teppich bedeckt war, vernahm jeder den klimpernden Aufprall, und mir brach plötzlich der Schweiß aus. Ich spürte meine feuchten Hände, den trockenen Mund, und als ich einatmete, hörte ich dabei das leise Pfeifen.
Mein Kreuz lag auf dem Boden. Ich schaute hin, weil ich an etwas Bestimmtes dachte, das hoffentlich auch eintrat.
Ja, es trat ein.
Das Kreuz verlor seine Schwärze. Sie war so verdammt dicht gewesen, doch jetzt, als das Kreuz durch nichts mehr berührt wurde, verschwand die schwarze Farbe allmählich. Das wunderbare Silber zeigte sich, und die Veränderung löste sich fleckenartig auf.
Es dauerte nur Sekunden, da sah ich das Kreuz wieder normal vor mir liegen.
Leider lag es auf dem Boden. »Willst du es nicht an dich nehmen, John Sinclair? Du liebst es doch. Aber es kann nicht immer gewinnen. Manches ist eben stärker als die Kraft, auf die du setzt.«
In diesem Fall hatte sie sogar Recht. Trotzdem ärgerte ich mich.
Um das Kreuz anzuheben, blieb mir nichts anderes übrig, als mich nach ihm zu bücken.
Ich kam mir so gedemütigt vor, aber ich wusste auch, dass es keine andere Möglichkeit gab.
Es tat mir trotzdem gut, es wieder anfassen zu können. Es war ihm nichts passiert. Es gab noch alle Zeichen, und auch die Anfangsbuchstaben der Erzengel sah ich.
Sie hatten nicht eingegriffen. Vielleicht hätte ich sie anrufen müssen wie früher, aber den letzten Trumpf behielt ich für mich: die Aktivierung.
Ich war angetreten, um Rita zu beschützen, doch das war mir nicht gelungen. Und jetzt musste ich sie als Feindin ansehen, die es zu bekämpfen galt.
»Und jetzt will ich ihn«, sagte sie.
»Nein!« Nach dieser Antwort schob ich mich zur Seite und baute mich zwischen Rita und dem Letten auf. »Ich kann dich verstehen, Rita, aber ich bin verpflichtet, ihn zu beschützen und auch zu verteidigen. Suko und ich haben einen Eid auf das Gesetz abgelegt, und daran werden wir uns halten. Auch jetzt!«
»Das weiß ich«, flüsterte Rita Franklin. »Es ist auch nicht einfach für mich. Ihr habt euer Bestes für mich gewollt. Das muss ich von nun an vergessen.«
Sie meinte es ernst. Mein Kreuz konnte mir nicht helfen, aber es gab noch eine weitere Möglichkeit. Sie anzuwenden fiel mir verdammt schwer, nur gab es keinen anderen Ausweg mehr, und so ergriff ich den Kolben der Beretta und holte die Waffe hervor.
Eine Sekunde später wies die Mündung auf Rita Franklin.
Sie war mittlerweile sehr nah an mich herangetreten. Jetzt blieb sie stehen und schüttelte nur den Kopf.
Hinter mir sprang Oleg auf. Ich sah nicht, was er tat, und hörte nur, wie er zurückwich.
»Willst du auf mich schießen, John Sinclair?«
»Nein, ich will es nicht. Ich muss es nur leider tun, wenn du nicht nachgibst.«
Mit ihrer Reaktion hatte ich nicht gerechnet, denn sie lächelte mich fast mitleidig an.
»Was ist schon eine Kugel? Du kannst schießen. Nur wirst du mich nicht aufhalten können, das ist gewiss. Lass es darauf ankommen. Ich verspreche dir, stärker zu sein.«
Bevor ich mich darauf einrichten konnte, ging sie einen Schritt auf mich zu.
Jetzt oder nie!
Ich schoss!
Verdammt, es fiel mir nicht leicht, aber ich hatte die Waffe gesenkt, denn ich wollte sie nur verletzen und nicht töten. Die Kugel war auf ihr linkes Bein gezielt. Sie schlug auch dort ein – oder tat sie es nicht?
In den folgenden Sekunden war ich völlig überrascht. Ich sah zwar das Bein, aber es war zu einem Schatten geworden – wie auch die gesamte Rita Franklin, die einfach durch mich hindurchwehte…
***
Mich erwischte eine gewisse Kühle, die mich von den Haaren bis zu den Füßen erfasste. Für einen Moment tosten andere und fremde Gedanken durch meinen Kopf.
Dann hörte ich Sukos Ruf. Er riss mich wieder zurück in die Wirklichkeit, und nach einem innerlichen Ruck drehte ich mich auf der Stelle, denn ich wusste jetzt, dass Rita Franklin an mir vorbei gegangen war.
Rita Franklin?
Der Name baute sich plötzlich zur Frage auf. Ich konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, dass diese Person noch Rita Franklin war, die sich da von mir fort bewegte.
Es war eine andere Person oder es war keine mehr, denn zwischen mir und dem an der Wand stehenden Letten flatterte ein Schatten.
Oleg schrie.
Er ahnte, was auf ihn
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