1437 - Der Weg nach Bentu-Karapau
Mai-Ti-Sh'ou zu sich. „Sind die Hohen Frauen über diese Vorgänge informiert?" fragte sie. „Selbstverständlich!" erwiderte Mai-Ti-Sh'ou. Sie empfand offenbar nicht die Spur von Schamgefühl angesichts dieser Vorgänge.
Dao-Lin-H'ay starrte sie an. und erkannte bestürzt, daß es völlig sinnlos war, zu dieser Kartanin über das unglaubliche Verbrechen zu sprechen, das hier begangen wurde, oder darauf hinzuweisen, daß kein einziger Kartanin der alten Zeit sich für eine solche... solche Schweinerei hergegeben hätte - ihr fiel tatsächlich kein anderes Wort dafür ein als dieser aus dem Terranischen übernommene Ausdruck.
Mai-Ti-Sh'ou entfernte sich mit verständnisloser Miene, und Dao-Lin-H'ay blieb allein zurück und wußte nicht, was sie denken, tun oder sagen sollte. Mai-Ti-Sh'ous Reaktion war eindeutig: Das auf Vaarjadin angewandte Verfahren galt den Kartanin dieser Zeit als völlig normal, was nichts anderes bedeuten konnte, als daß man sich auch auf anderen Planeten solcher Methoden bediente.
Es war der bisher deutlichste Hinweis darauf, daß die hier stattfindenden Veränderungen in eine Richtung wiesen, die kein normal empfindendes Wesen als positiv einstufen konnte.
Dao-Lin-H'ay schämte sich für ihr Volk.
Als ihr Ga-Nuin-L'ings Ankunft gemeldet wurde, fühlte sie sich psychisch erschöpft. Sie fragte sich, ob es wirklich einen Sinn hatte, der Perle Moto nachzujagen, wenn es derartige Mißstände zu beseitigen gab.
Sollte sie nicht vielleicht doch lieber versuchen, das Amt der Höchsten Frau zu bekommen - je schneller, desto besser?
War es nicht unter den gegebenen Umständen ratsam, ihren Nimbus bewußt zu nutzen, um die entsprechende Wirkung zu erzielen?
*
Ga-Nuin-L'ing war noch jung, wirkte aber weit über seine Jahre hinaus verbraucht. Sein Gesicht war zernarbt und fast haarlos, an seiner linken Hand fehlten zwei Krallen, und seine Augen waren ohne Glanz.
Dao-Lin-H'ay ließ sich dadurch nicht täuschen. Sie als Telepathin fühlte hinter der zerkratzten Fassade eine intensive Kraft: Ga-Nuin-L'ings leidenschaftliche Liebe zu seinem Leben und zu seinem Volk. Diese Kraft hatte sie früher bei sehr vielen Kartanin gespürt, und sie hatte sie in den letzten Tagen oftmals schmerzlich vermißt. Ga-Nuin-L'ing war wie ein Hauch Heimat - einer Heimat, die unerreichbar siebenhundert Jahre in der Vergangenheit lag. „Du willst also nach Miryanaar?" fragte der Kartanin. „So ist es", erwiderte Dao-Lin-H'ay lächelnd. „Es sei denn, daß es sich als überflüssig herausstellt, diesen Planeten zu besuchen, weil du mir bereits sagen kannst, was ich wissen will."
„Und das wäre?"
„Der Weg nach Bentu-Karapau."
„Tut mir leid, aber damit kann ich auch nicht dienen", sagte Ga-Nuin-L'ing nüchtern. „Und ich bin mir nicht sicher, ob du, auf Miryanaar mehr erfahren wirst."
„Fio-Ghel-Sh'ou erwähnte zwei Informanten."
„Ja, natürlich - Loi-Scrom und Sisa-Vart. Ich bin fest davon überzeugt, daß diese beiden die Koordinaten von Bentu-Karapau haben. Die Frage ist nur, ob sie sie auch herausrücken werden."
„Ich bin bereit, die beiden sehr gut zu bezahlen."
„Darauf kommt es nicht an", erklärte Ga-Nuin-L'ing sanft. „Loi-Scrom und Sisa-Vart sind keine gewöhnlichen Spione. Es wird davon abhängen, ob es dir gelingt, sie zu überzeugen, und das ist gar nicht so einfach."
„Wovon überzeugen?"
„Oh, sie haben ihre Ideale. An denen haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Ich weiß mit absoluter Bestimmtheit, daß die Karaponiden es auch schon versucht haben."
„Soll das heißen, daß Loi-Scrom und Sisa-Vart für beide Seiten arbeiten?" fragte Dao-Lin-H'ay ein wenig ungläubig. „Nicht nur für beide", erwiderte Ga-Nuin-L'ing nüchtern. „Für alle."
„Aber es sind doch Kartanin - oder nicht?"
„Hm - das ist einer der Punkte, über die man sich endlos lange mit ihnen herumstreiten kann. Loi-Scrom ist Kartanin - oder war es zumindest, denn er hat sich ganz offiziell von seinem Volk losgesagt und auch seinen Familiennamen abgelegt. Sisa-Vart dagegen ist - oder war - Karaponidin. Ich glaube, die beiden wissen selbst nicht, wo sie sich inzwischen einordnen sollen."
„Gibt es keine weniger komplizierten Informanten?" fragte Dao-Lin-H'ay etwas ungeduldig. „In jeder beliebigen Menge", erwiderte Ga-Nuin-L'ing amüsiert. „Aber die wissen dann dafür wenig oder nichts über Bentu-Karapau."
Dao-Lin-H'ay dachte an Ge-Liang-P'uo und ihre besonderen Fähigkeiten, und ihr
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