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1439 - Totenfeld

1439 - Totenfeld

Titel: 1439 - Totenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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und zupfte ein paar Geldscheine aus der Tasche. »Reicht das?«
    »Mehr als das.«
    Sie stopfte die Scheine wieder in die Tasche hinein. Ich hob indes seinen Kopf an, weil ich sicher sein wollte, dass er nicht mehr lebte.
    Es stimmte. Er war tot, und ich sah an ihm keine Wunde. Er war weder erschossen noch erschlagen worden. Auch nicht durch einen Messerstrich getötet. Aber er war tot, und das in den letzten Minuten seines Daseins erlebte Grauen stand in seinen Zügen festgeschrieben. Die Augen waren weit geöffnet, und der Mund stand ebenfalls so weit auf, als wollte er noch einen letzten Atemzug tun, bevor er sich von der Welt verabschiedete.
    »Gott, was ist das für ein Gesicht!«, flüsterte Jane. »Was muss dieser Mensch erlebt haben.«
    »Er ist erstickt, denke ich. Menschen, die erstickt sind, sehen oft so aus.«
    »Und warum hat man ihn dann hier an den Pfahl gebunden?«, murmelte sie. »Was hat das zu bedeuten? Außerdem sieht sein Körper noch völlig normal aus. Da wurde nichts von scharfen Zähnen zerfetzt. Was soll man also davon halten?«
    »Ich weiß es nicht. Dieser Acker kommt mir vor wie ein Schauobjekt. Als wollte derjenige, der hier unter der Erde haust, seine besonderen Zeichen setzen.«
    »Was er auch geschafft hat.«
    »Dann muss der Bankräuber ihm bei seiner Flucht in die Arme gelaufen sein.« Ich tippte Jane au. »Schauen wir uns mal um, wie die anderen Vogelscheuchen hier aussehen.«
    »Ich weiß, dass es Tote sind. Man hat die Leichen als Vogelscheuchen hingestellt. Verdammt noch mal! Das – das – muss doch aufgefallen sein. Warum haben die Menschen in Hollow Field denn nichts darüber gesagt?«
    »Meinst du Anna Bancroft?«
    »Zum Beispiel.«
    »Es kann die Angst gewesen sein. Aber mir geht inzwischen eine ganz andere Vermutung durch den Kopf.«
    »Da bin ich gespannt.«
    »Sie kann durchaus erfahren haben, was sich hier abspielt. Sie hat sich nur nicht getraut, es uns offen zu sagen, obwohl sie uns unter einem Vorwand hergelockt hat.«
    »Nicht schlecht der Gedanke.«
    »Wir werden ihn zumindest im Kopf behalten.«
    »Da gibt es noch weitere Vogelscheuchen«, meinte Jane. Sie deutete an mir vorbei auf die senkrechten Gestalten, die von den Nebelschleiern umflort wurden.
    »Lohnt es sich, sie anzuschauen?«
    Jane hob die Schultern. »Keine Ahnung. Leben wird wohl keiner dieser Menschen mehr.«
    Davon ging auch ich aus. Man hatte die Toten hier als Warnung aufgestellt. Aber für wen? Warum wurden sie so öffentlich zur Schau gestellt?
    Ich wusste es nicht. Jane Collins war ebenfalls überfragt. Was brachte es uns ein, wenn wir uns noch länger auf dem Feld hier aufhielten? Gut, wir konnten es absuchen und die Leichen zählen, aber die wahre Musik spielte unter Umständen woanders. Zudem lag die Halloween-Nacht vor uns, und da warteten ganz bestimmt böse Überraschungen auf uns.
    »Gern gehe ich nicht weg!«, sagte Jane.
    »Was stört dich?«
    Sie wies zum Boden. »Ich kann die Bewegungen nicht vergessen. Da ist was gewesen. Fast wie eine Schlange hat es sich weiter bewegt. Als wollte es uns ebenfalls als Opfer haben.«
    »Abgesehen davon, dass ich keine Lust habe, als Toter an einem Pfahl zu hängen, warum ist dann dieses Wesen unter der Erde geblieben? Hast du eine Erklärung dafür?«
    »Hm. Möglicherweise hat es Angst vor uns gehabt.«
    »Ah ja. Warum denn?«
    »Denk an dein Kreuz. Es hat dich ja gewarnt.«
    Ich konnte Jane nicht widersprechen. In diesem Fall, von dem wir so verdammt wenig wussten, war schließlich alles möglich. Aber wir wollten eine Antwort haben. Hier auf dem Totenfeld konnten wir sie uns nicht holen. Wenn wir weiterkommen wollten, dann in Hollow Field bei einer Frau, die Anna Bancroft hieß.
    »Du denkst auch an Anna – oder?«
    Ich nickte. »Klar.«
    »Dann sollten wir ihr einige Fragen stellen, John. Und das so schnell wie möglich und noch vor Anbruch der Dunkelheit.«
    Genau das hatte ich vor.
    ***
    »Kannst du die Leiche noch mal kurz halten?«
    »Warum denn?«
    »Frag nicht. Du bekommst Geld für den Job. Außerdem bist du Leichenwäscher und gehst tagtäglich mit den Toten um. Wo liegt demnach das Problem?«
    Der Mann im grauen Kittel hob den Toten wieder aus dem Sarg hervor. Er trug ihn dorthin, wo eine kleine Bank vor einem dunklen Samtvorhang stand. Dort setzte er den älteren Mann mit dem haarlosen Schädel und dem spitzen Totengesicht so hin, dass er nicht umkippen konnte.
    »Ist das gut so?«
    Ari Ariston, der Fotograf, war nur halb zufrieden.

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