144 - Die Jenseits-Party
Ich fühlte eines Tages den
Drang, in ihre Fußstapfen zu treten ... und verschrieb mich mit Haut und Haaren
Rha-Ta-N’my. Ich entdeckte in einer alten Schrift aus der Bibliothek meines
Großvaters einen Hinweis darauf, wie mit Dämonen und bösen Geistern Umgang
gepflegt werden kann, ja, wie ... man sie in ihrer wirklichen Gestalt... sogar sehen
kann. Es gab eine Anleitung zur Herstellung einer speziellen Brille, einer
sogenannten Dämonenbrille. Wer sie aufsetzt, kann die Geschöpfe des
Unsichtbaren erblicken und ihnen befehlen ... Ich baute die Brille und setzte
sie auf. Da sah ich Rha-Ta-N’my und jene, die sie beeinflußte, in ihrer wahren
Gestalt... In mir selbst regte sich von dieser Stunde an die Gewalt des Bösen
mit einer Stärke, die meinen Körper und meinen Geist mehr und mehr vergiftete ...
Wie einst Dr. Jeckyll die dunkle Seite seines
Ichs freilegte, so wurde die dunkle Seite meines Ichs freigelegt und immer
stärker. Ich erkannte meine Situation, konnte sie aber nicht mehr verändern.
Ich mußte das Böse tun. Mein Geist schuf ein Abbild meines Ichs, das an meiner
Stelle die Taten beging ... und noch immer begeht. Ich selbst bin dazu
verdammt, hilflos meinen körperlichen und geistigen Verfall mitzuerleben ... Ich
kann dieses Bett, diesen Raum nicht mehr verlassen ... denn ich muß die Brille
tragen, sehen, was geschieht ... aber ich will es nicht mehr. Ich will sterben
... aber auch das läßt die grausame Macht, der ich diene, nicht zu. Niemand
weiß von meinem Schicksal. Niemand ahnt, was sich hier in dieser Wohnung
wirklich abspielt. Es gibt keine Menschen, die mich besuchen ... Ungeziefer,
Spinnen, Käfer und Ratten sind meine Gesellschaft. Niemand vermißt mich, und
jeder nimmt an, daß ich genauso lebe wie immer ... Pieter Delonk, den die
anderen draußen sehen, ist ein Schatten meiner selbst. Und zu den bleichen
Schatten will er jene machen, die die Kraft des Bösen weiter verbreiten sollen
...«
»Wie kann ich dir helfen ?« fragte Kunaritschew dumpf.
»Indem du mir die Brille abnimmst und sie
zertrittst. Dann hört das Morden auf. .. der Haß ... das Böse, das wie eine Flut
werden muß, damit sich Rha-Ta-N’my darin baden kann .. . Nimm mir die Brille weg, aber hüte dich davor, sie aufzusetzen ... Zertrete
sie! Ohne zu zögern !«
Iwan streckte die Rechte aus und nahm dem
ungeheuer veränderten Pieter Delonk, der äußerlich ein leibhaftiger Dämon
geworden war, die Brille ab, ohne jedoch auch nur einen Moment seine Vorsicht
außer acht zu lassen.
Er starrte in große, trübe Augen und hatte im
selben Augenblick den unwiderstehlichen Drang, sich selbst die Brille
aufzusetzen.
Er wollte Rha-Ta-N’my sehen!
*
»Nein, nicht!« Die dunkle Stimme wurde zu
einem Aufschrei. »Nicht aufsetzen! Zertreten, schnell zertreten! Dem Wunsch
nicht nachgeben ...« Pieter Delonk war verzweifelt und schien unglaubliche
Schmerzen auszustehen.
Iwan hatte das Gefühl, einem Sturm Widerstand
leisten zu müssen, der all seinen Willen niederriß. X-RAY-7 zitterte, als er
die Brille in der Hand hielt, und näherte das Objekt bereits seinem Gesicht.
Er mußte seine ganze Willenskraft aufbieten,
um die Brille zu Boden zu werfen. Er trat auf den Gläsern herum, bis sie unter
seinen Schuhen knirschend zerbrachen.
Im gleichen Augenblick ging mit dem
schwammigen, unappetitlich aussehenden Ungeheuer in dem muffig riechenden
Schlafzimmer eine Veränderung vor...
*
So einfach sollte sein Mörder es nicht haben!
Larry Brent riß blitzschnell das Bein an. Er
konnte nicht viel tun, aber immerhin den ersten Angriff abwehren.
Seine Stiefelspitze knallte Frederic Apant
mit voller Wucht gegen die Hand. Der verhinderte Mörder wurde von Brents
Reaktion völlig überrascht. Das Messer entfiel seinen Fingern, und Apant schrie
auf.
Zornig stürzte Delonk nach vorn und wollte
Apant für seine Unfähigkeit rügen.
Da wurde aus seinem Wutschrei - ein
Todesschrei. Einer, wie Larry Brent ihn noch nie gehört hatte.
Delonk riß beide Arme empor. Er drehte sich
um die eigene Achse, und aus seinem Körper kamen explosionsartig kleine gelbe
Schwefelwolken, die die Haut sprengten. In die Reihe der Gespenstischen, die
die Jenseits-Party durchführten, kam ebenfalls Bewegung. Ein Sturm schien sie
buchstäblich durcheinanderzuwerfen.
Die Leichen wehten schrill kreischend nach
allen Seiten davon, Anita Caunen, Brigitta Shäben und Morna Ulbrandson wichen
zurück wie vor einer unsichtbaren Wand, die ihnen
Weitere Kostenlose Bücher