144 - Mr. Silvers böses Ich
war kalt, aber die Angst ließ sie die niedrigen Temperaturen vergessen.
Sie liefen zu den Fahrzeugen, hasteten von einem Wagen zum anderen, bis sie einen fanden, der nicht abgeschlossen war. In diesen stiegen sie und verriegelten die Türen.
Bruce O’Hara und ich schlugen die entgegengesetzte Richtung ein. Wir stürmten in das Haus.
Bob Morris hatte die Schwimmhalle verlassen.
Ich rannte am Pool vorbei. Auf den Fliesen lag ein schluchzendes Mädchen. Sie war ausgerutscht und gestürzt. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt.
Ich half ihr aufzustehen. Sie schaute mich verstört an, sah -den Revolver in meiner Hand und krächzte: »Liebe Güte, was wollen Sie denn damit?«
»Den Wolf zur Strecke bringen.«
»Woher kommt er?«
»Ziehen Sie sich an, und bringen Sie sich in Sicherheit«, sagte ich. »Verlassen Sie das Haus.« Ich hatte keine Zeit, ihre Fragen zu beantworten.
Ich eilte weiter, dorthin, wo die Schreie am lautesten waren. Bruce kümmerte sich um einen verletzten Mann. Zuerst dachte ich, die Verletzungen würden von Bob Morris stammen.
Das wäre schlimm für den Mann gewesen, weil er dadurch zum Werwolf geworden wäre. Bruce rief mir zu, es seien nur Schnittwunden. Ich war erleichtert.
Morris befand sich im Billardzimmer. Mehrere Gäste hatten darin Schutz gesucht, aber der Werwolf hatte die Tür aufgebrochen, und nun jagte er die Halbnackten um die Tische.
Ich wollte auf ihn schießen, aber es kam ständig irgend jemand dazwischen, so daß es unmöglich war, ihn zu treffen. Jetzt sprang das Monster auf einen Billardtisch.
Ich hatte die Bestie auf dem Präsentierteller. Einen größeren Gefallen hätte mir Bob Morris nicht tun können. Sein Fell war blutbesudelt.
Ich hielt den Colt Diamondback im Beidhandanschlag. Der Werwolf traf seine Wahl. Er entschied sich für ein vollbusiges Mädchen, das einen knallgelben Bikini trug.
Sie lag auf dem Boden, etwa zwei Meter vom Billardtisch entfernt, starrte zu dem Monster hoch und schrie ihre furchtbare Angst heraus.
Ihre Schreie wirkten auf Morris wie ein Magnet. Die anderen kümmerten ihn nicht mehr. Er interessierte sich nur noch für dieses Mädchen.
Er darf sie nicht kriegen! durchfuhr es mich. Bevor Bob Morris sich abstieß, zog ich den Stecher durch. Mit einem lauten Knall entlud sich meine Waffe.
Der Colt ruckte in meiner Hand. Ich hätte den Werwolf präzise, das heißt: tödlich treffen müssen. Das wäre auf diese geringe Distanz überhaupt kein Kunststück gewesen, doch in dem Moment, wo ich abdrückte, stieß jemand, der sich an mir vorbei in Sicherheit bringen wollte, mit der Schulter gegen mich, wodurch das geweihte Silbergeschoß an Morris vorbeizischte.
Das Krachen des Schusses irritierte die Bestie. Daß ich mit geweihtem Silber schoß, wußte Morris, denn er hatte den Streifschuß des Leitwolfs gesehen.
Außerdem war im Wolfshaus Alan Orbison tödlich getroffen zusammengebrochen. So etwas schaffte man nur mit geweihtem Silber. Morris vergaß das schreiende Mädchen, auf das er sich in seinem Blutrausch stürzen wollte.
Mein Schuß ernüchterte die Bestie.
Der Werwolf sprang herum.
Ich hatte seinen Rücken vor mir und wollte ihn mit der nächsten Kugel niederstrecken, doch es war wie verhext. Ein Mann bildete sich ein, das Untier niederringen zu müssen.
Er stürzte sich von hinten auf Morris, umklammerte ihn mit beiden Armen und wollte ihn zu Fall bringen. Der kräftige Wolf sprengte die Umklammerung mühelos und hetzte durch den Raum.
Ich folgte ihm. Bruce O’Hara erschien neben mir. »Schieß, Tony!« rief er.
Ich drückte ab, aber Bob Morris änderte die Laufrichtung und warf sich durch die geschlossene Terrassentür hinaus hins Freie. Ich sah ihn fallen, aber er blieb nicht liegen.
Er rollte gekonnt ab, kam auf die Beine und verschwand aus meinem Blickfeld.
»Verdammt, er haut ab!« keuchte Bruce.
Wir stürmten durch das Billardzimmer. Als wir die Terrasse erreichten, sahen wir Morris in ein altes Vehikel springen. Er verlor sein wölfisches Aussehen, startete den Motor, gab Gas und raste los.
»Zum Motorroller!« rief ich Bruce zu.
Augenblicke später knatterten wir hinter dem alten Auto her. Morris fuhr Richtung Harkerville. Hoffentlich nicht nach Hause, dachte ich, denn es wäre nicht angenehm gewesen, ihm vor den Augen seiner Mutter den Garaus machen zu müssen.
Morris sah uns bestimmt im Rückspiegel. Er hatte zwar kein besonders schnelles Auto, aber er erreichte dennoch eine höhere Geschwindigkeit damit als wir
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