1440 - Halloween des Ghouls
gegen ihren Freund. Beide konnten nur staunen. Nur ich staunte nicht, denn ich war mittlerweile verdammt sauer. Hier lief ein grauenvolles Szenario ab, das mir gegen den Strich ging. Es kristallisierte sich allmählich heraus, dass die gute Anna praktisch die Helferin des Ghouls war. Sie hatte wahrscheinlich alles eingefädelt.
Eine Frau über siebzig paktierte mit einem Ghoul! Das zu begreifen fiel mir ungeheuer schwer.
»Ich denke, dass sich der Ghoul jetzt mit seinem Fest beschäftigen wird, Anna.«
»Ja, in dieser Nacht.«
»Da wird er sehr hungrig sein.«
»Das ist er immer.«
»Sie kennen ihn gut?«
Sie hob nur die Schultern. »Ich interessiere mich eben auch für das, was nicht sichtbar ist und was die Leute nicht so recht für möglich halten. Das ist nun mal so.«
»Ja, ich verstehe. Da sind Sie auf den Ghoul gekommen. Das hätte Sarah nicht getan. Sarah Goldwyn hätte sich ganz anders verhalten, aber bei Ihnen habe ich das Gefühl, dass Sie auf der anderen Seite stehen.«
»Bitte, werden Sie nicht persönlich. Ich habe nur getan, was getan werden muss.« Sie deutete auf den Fotografen. »Ich wollte den Toten ein Denkmal setzen. Mr Ariston sollte ein besonderes Motiv bekommen. Er wäre sicherlich berühmt geworden.«
»Scheiße!«, schrie Ari dazwischen, streckte seine rechte Hand aus und wies damit auf die Alte. »Der verdammte Ghoul hätte mich gefressen. Wir sind ihm gerade noch entwischt. Und läge unser Auto nicht im Graben, hätten wir dieses Kaff schon längst verlassen. Ich hasse diese ganze Scheiße, verstehen Sie?«
Anna Bancroft zeigte sich enttäuscht. »Ich hätte von Ihnen schon mehr Verständnis erwartet«, erklärte sie. »Als ich Ihre Bilder sah, dachte ich anders über Sie.«
»Dafür haben Sie mir die Augen geöffnet. Und darüber bin ich sehr froh.«
Ich hatte die beiden reden lassen und mir dabei meine eigenen Gedanken gemacht. Etwas wollte mir nicht aus dem Kopf. Es war mir auch erst vor kurzem wieder eingefallen. Mit dem Verschwinden von Jane Collins hatte es nichts zu tun, obwohl ich das jetzt auch mit anderen Augen sah. Mir fiel ein, dass hier im Haus noch ein totes Mädchen lag, das Amy hieß.
Hatte ich mich bei unserer ersten Begegnung darüber gewundert, dass Anna Bancroft eine Tote in ihrem Haus aufgebahrt hatte, so musste ich das jetzt mit anderen Augen sehen. Aber ich wollte nicht sofort auf das Thema zu sprechen kommen und erst noch etwas anderes erfahren.
»Warum haben Sie Jane Collins und mich eigentlich geholt?«, sprach ich sie an.
»Weil Lady Sarah stets viel von Ihnen beiden berichtet hat«, erwiderte sie.
»Und weiter…«
»Da wollte ich erfahren, ob sie nun gelogen hat oder nicht. Sie war ja völlig von Ihnen eingenommen, und ich wollte Sie auf die Probe stellen.«
»Das ist Ihnen verdammt gut gelungen.«
»Keine Ahnung.«
»Doch, Anna, doch. Es ist Ihnen gelungen, aber wir sind noch nicht am Ende. Da Sie ja über Lady Sarah gut genug Bescheid wissen, werden Sie auch wissen, dass wir einen Ghoul nicht akzeptieren können. Wir werden ihn finden und ihm sein Totenfest streichen. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Ja, ja, vielleicht.« Sie ging nicht weiter darauf ein und lächelte in die Runde. »Ich habe Ihnen vorhin einen Tee angeboten. Bleibt es dabei? Er steht in der Küche, ist frisch aufgebrüht. Ich brauche ihn nur zu holen.«
Ich dachte nicht daran zur Normalität zurückzukehren, und sagte:
»Von uns wird wohl kaum jemand noch Durst auf Ihren Tee haben, Anna. Es gibt da nämlich noch ein weiteres Problem.«
Sie richtete sich kerzengerade auf und schien leicht angefressen zu sein, denn sie fragte pikiert: »Welches denn?«
»Es ist die Leiche des jungen Mädchens. Sie haben sie uns gezeigt. Ich habe mich da schon über Sie gewundert. Nun sehe ich die Vorgänge mit anderen Augen. Sie werden Amy bestimmt nicht aus reiner Nächstenliebe in Ihrem Haus aufgebahrt haben.«
Darauf gab sie mir keine Antwort. Sie fragte nur: »Was wollen Sie denn von Amy?«
»Sie sehen.«
Anna lächelte, schüttelte den Kopf und sagte mit fester Stimme:
»Pech gehabt! Amy ist nicht mehr da.«
»Ach.« Ich machte das Spiel natürlich mit. »Und wo befindet Sie sich nun?«
»Nicht dort, wo Sie Amy vermuten, John.«
»Dann klären Sie mich auf.«
»Ich habe sie ins Leichenhaus bringen lassen. Dort ist sie sicher. Ich wollte sie nicht dem Ghoul überlassen, nachdem ich mich für die Aufbewahrung ihrer Leiche stark gemacht habe. Das Leichenhaus hat keine
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