1440 - Halloween des Ghouls
Lächeln zu kaschieren.
Ich hatte mich in den Sessel gesetzt. Die Hausherrin stand noch und wurde von Ari angesprochen.
»Sie also sind die Frau, die mir diesen Job verschafft hat.«
»Das ist korrekt«, gab sie strahlend zu. »Ich habe über Sie gelesen und dachte mir, dass so ein Motiv wie auf dem Feld Sie bestimmt interessieren wird.«
»Es war zumindest neu für mich. Normalerweise suche ich mir die Leichen aus, aber hier war schon alles vorbereitet. Da hingen sie wie Vogelscheuchen. Das kann ich noch immer nicht fassen. Aber Sie scheinen Bescheid zu wissen.«
»So ist es.«
»Was sagen die anderen Bewohner zu diesem Leichenfeld?«, fragte er weiter.
»Sie kennen es nicht. Oder zumindest anders. Aber diese Nacht ist eben eine besondere. Da trifft das Diesseits auf das Jenseits, und da geht man mit Toten ganz anders um.« Sie setzte sich auf die Sesselkante. »Da muss man auch als Mensch mal über den eigenen Schatten springen. Das habe ich getan.«
»Indem Sie mich anriefen?«
»Genau.«
Ich hatte still gesessen und sehr genau zugehört. Nein, das war keine harmlose Plauderei gewesen, auch wenn Anna den Eindruck zu erwecken versuchte. Da lag mehr dahinter, und ich konnte ihr irgendwie nicht so ganz glauben.
Sie gab sich sehr sicher.
»Die Bewohner wissen also nichts von den Leichen auf dem Feld?«, fragte ich nach.
Anna schaute mich an. »Das weiß ich nicht so genau. Gesprochen habe ich mit ihnen noch nie darüber.«
»Sehr schön. Und wo kommen sie her?«
Sie wand sich. »Das kann ich auch nicht genau sagen.«
»Aber sie wurden nicht aus irgendwelchen Schauhäusern gestohlen?«, rief Lizzy dazwischen.
»Das wohl nicht.«
»Und was ist mit dieser verdammten Bestie, die ich gesehen habe?« Lizzy sprang auf. Sie konnte es auf der Couch einfach nicht mehr aushalten.
»Ähm, welche Bestie?«
»Eine, die Leichen frisst.«
Anna Bancroft lachte. Nur gefiel mir dieses Lachen nicht. Es klang unecht.
»Ich habe sie gesehen, und zwar auf dem Feld. Es war grauenhaft. Das war kein Mensch mehr, sondern – ja – ich habe es von John gehört. Es war ein Ghoul.«
Anna Bancroft hatte alles gehört. Jeder wartete auf eine Antwort von ihr, aber sie schwieg, senkte den Kopf und schaute dabei zu Boden wie jemand, der sich schämt.
»Sagen Sie was, Anna!«
»Wozu?«
Ich lächelte. »Ich habe mittlerweile die Einsicht gewonnen, dass Sie mehr wissen, als sie bisher zugaben. Wenn das Wort Ghoul fällt, wissen Sie genau, was damit gemeint ist. Oder irre ich mich?«
»Nein.«
»Es gibt ihn also?«
»Ja.«
»Und Sie wissen Bescheid?«
»Ich denke schon.«
»Sehr gut, Anna. Dann können Sie uns sicherlich erklären, wie die Leichen als Vogelscheuchen auf das Feld gekommen sind. Oder sind sie einfach aus der Hölle gestiegen oder sogar vom Himmel gefallen? Das glaubt Ihnen keiner.«
»Das habe ich auch nicht behauptet«, erklärte sie patzig.
»Sehr schön. Wo also kommen sie her?«
»Der Ghoul. Es ist seine Nacht. Auch er hat Halloween. Verstehen Sie?«
Nein, ich begriff es nicht, und das sagte ich ihr auch. Das war nicht möglich. Der Ghoul und sein Halloween. Die Nacht der Toten. Die Nacht des Leichenfressers.
Verdammt, das war ein starkes Stück. Und die Harmlosigkeit der Anna Bancroft bröckelte für mich ab wie der Putz von einer alten Fassade.
»Ich will noch immer wissen, wie die Leichen auf das Feld kamen. Was hat der Ghoul damit zu tun?«
»Er hat sie dort hingehängt.«
Lizzy stieß einen leisen Schrei aus. Ari schüttelte den Kopf und verzog dabei schmerzlich das Gesicht, und ich musste erst mal über die Antwort nachdenken.
»Der Ghoul?«, fragte ich noch mal.
»Sicher. Er hat sie aus seinem Labyrinth geholt. Es ist doch die Nacht der Toten und der Lebenden. Beide werden sich treffen. Nichts anderes wollte der Ghoul. Auch er will sein Fest haben.«
Kannte ich jetzt die ganze Wahrheit? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Da fehlte was. Aber im Kern hatte Anna Recht.
Das spürte ich genau.
»Es waren also seine Leichen, die er irgendwo verborgen hat?«
»Sicher.«
»Aber nicht nur alte?«
Anna hob die Schultern.
»Ich denke da an den Bankräuber, dessen Motorrad im Straßengraben liegt und der über das Feld geflüchtet sein muss«, sagte ich.
»Ich hörte davon.«
»Alles klar. Der Ghoul hat ihn sich also geholt und als Vogelscheuche aufgehängt, nachdem er ihn getötet hat.«
»Und ich habe gesehen wie – wie…«
»Schon gut, Lizzy!«
Sie verstummte und lehnte sich
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