1440 - Halloween des Ghouls
Zahlreiche Zuschauer standen vor ihren Häusern, andere wiederum hingen in den Fensteröffnungen und sahen dem bunten Treiben zu.
Ich schlenderte weiter. Angesprochen wurde ich nicht. Auch nicht angemacht. Nur erschreckt. Eine schreiende Frau tauchte plötzlich als Spinne vor mir auf. Was sie in der Hand hielt, sah ich nicht genau, aber ich zog rechtzeitig genug den Kopf ein. Aus einer Flasche sprühte mir was entgegen.
Künstliche Spinnweben, die sicherlich mein Gesicht getroffen hätten. Sie glitten so an meiner Schulter vorbei.
Schreiend und kichernd tanzte die »Spinne« an mir vorbei und tauchte ein in den Nebel.
Ich ging weiter, aber ich wollte den Ort nicht durchqueren. Das Leichenhaus wollte mir nicht aus dem Kopf. Konnte es nicht doch sein, dass sich der Ghoul mit seiner Beute dorthin zurückgezogen hatte?
Möglich war alles, und bevor ich weiter hier herumirrte, musste ich mich dort umschauen. Da es eine Kirche in Hollow Field gab, musste auch ein Friedhof existieren. Und wahrscheinlich fand ich dort das Haus, in dem die Toten aufgebahrt wurden.
Der Kirchturm war nicht zu sehen. Der Nebel hüllte alles ein, aber ich hatte einen Mund, um zu fragen.
Ich ging auf einen Mann zu, der in meinem Alter war und im wahrsten Sinne des Wortes Öl ins Feuer gekippt hatte. Er hatte eine Tonne wieder gefüllt und die Flüssigkeit angezündet. Auf mich machte er einen nüchternen Eindruck.
Ich ging auf ihn zu, bis mich der Widerschein der Flammen umspielte und ich deren Hitze spürte. Der Mann drehte sich um, als ich ihn ansprach und ihm zugleich auf die Schulter klopfte.
»He, was ist los?«
»Ich hätte mal eine Frage.«
Er ging zur Seite, weil ihm die Flammen sonst zu stark eingeheizt hätten.
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße John Sinclair…«
»Aber Sie sind nicht von hier?«
»Nein, ich suche nur etwas. Und zwar das Leichenhaus.«
Erst glotzte er mich nur an. Ja, er glotzte. Dann lachte er auf und schüttelte den Kopf.
»Was wollen Sie denn dort?«
»Nachschauen, weil…«
»Da läuft eine Party.«
»Ach ja?«
»Klar.« Er schaute mich von Kopf bis Fuß an. »Aber die Typen sind jünger als wir.«
»Ich will ja nicht mitfeiern.«
»Was dann?«
»Ich habe einen Bekannten hier im Ort. Mal sehen, ob er sich dort herumtreibt. Beschreiben Sie mir den Weg?«
Er fing an, vom Turm der Kirche zu sprechen, bis ihm einfiel, dass dieser ja nicht zu sehen war. So blieb ihm nichts anderes übrig, als mir den Weg zu beschreiben, der natürlich nicht weit war, denn hier in Hollow Field lag alles dicht beisammen.
Ich bedankte mich und zog ab. Diesmal ging ich schneller. Ein paar Meter musste ich noch auf der Hauptstraße bleiben, dann bog ich nach rechts ab und gelangte in eine Gasse, die mich auf den Kirchturm zuführte, der sich wie eine schwache Bleistiftzeichnung in der dunkelgrauen Nebelsuppe abhob. Büsche streiften mich, als ich einen schmalen Weg entlang schritt, der zum Friedhof führte.
Auf einem Schild hatte ich gelesen, wohin ich mich wenden musste.
Als ich die Büsche passiert hatte, hörte ich die Stimmen und sah zugleich die Lichter. Der Mann hatte von einer Party gesprochen, und wenn mich nicht alles täuschte, war sie in vollem Gang.
Jugendliche hatten sich hier versammelt. Vor der Leichenhalle hatten sie ein Feuer angezündet. Der Widerschein tanzte auf dem grauen Mauerwerk. Mal dunkel, mal heller und dabei immer neue Figuren bildend, die auch über die Rechtecke der kleinen Fenster huschten, die sich an den Außenmauern auftaten.
Die Tür der Halle stand offen. Auch im Innern wurde Party gemacht. Ich glaubte nicht, dass sich ein Ghoul hier wohl fühlen würde, trotz der vielen Opfer.
Zumindest einen Blick wollte ich in die Leichenhalle werfen. Dort brannte kein Feuer. Die einzige Lichtquelle war der Flammenschein, der von außen durch die offene Tür drang.
Ich musste den Kopf einziehen, um den kleinen Bau betreten zu können. Wo sonst die Toten aufgebahrt wurden, gab es jetzt ein Gelage. Die Jugendlichen hockten oder lagen am Boden. Sie hatten Luftmatratzen aufgeblasen, hörten düstere Musik, ansonsten lagen sie mehr als sie saßen.
Mich nahm man kaum wahr. Ich blieb auch nicht lange, denn ein Blick hatte mir praktisch gereicht, um zu erkennen, dass ich hier falsch war. Eine kalte Spur.
Es brachte auch nichts, wenn ich nach dem Ghoul fragte. Da hätte ich ihn schon beschreiben müssen, und das war nicht möglich. Alle möglichen Gerüche erreichten mich, nur roch es nicht nach
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