1443 - Die Hölle stirbt nie
denn der Besucher präsentierte ihm ein goldenes Kreuz.
Morton Butler war sprachlos. Er hatte nicht geglaubt, dass ihn noch etwas überraschen konnte, doch hier war das der Fall. Wie erstarrt stand er auf der Stelle. Er schluckte, als er merkte, dass sich zu viel Speichel in seinem Mund sammelte.
Der Fremde hielt die Hand mit dem Kreuz nach vorn gestreckt. Es hatte ungefähr die Länge eines Männerarms. Glatte Balken sah er, die golden schimmerten und so etwas wie ein Licht gaben. Nur wollte er daran nicht glauben.
Das war kein Licht. Von diesem Kreuz ging auch kein positives Strahlen aus. Das war der eine Störfaktor. Dann gab es noch einen zweiten, denn er stellte fest, dass die Proportionen dieses Gegenstands einfach nicht stimmten.
Der Querbalken war viel zu hoch angesetzt. Außerdem wies er nach unten, was dem Reverend ebenfalls nicht gefiel. Auch den Mann mochte er nicht. Von ihm strahlte etwas ab, das ihn störte. Allein seine Haltung sprach Bände.
Arrogant, siegessicher. Er sah aber nicht aus wie jemand, der sich verlaufen hatte, nein, dieser Mensch mit dem goldenen Kreuz hatte die Kathedrale bewusst aufgesucht.
»Gefällt es dir?«
Der Reverend zuckte leicht zusammen, als er so widerlich vertraulich angesprochen wurde. Das Grinsen des Mannes passte dazu.
Überhaupt kam ihm seine sonst so vertraute Umgebung plötzlich fremd vor, denn hier hatte es einen Einbruch gegeben.
»Was erlauben Sie sich?«
»Ich will wissen, ob er dir gefällt, Pfaffe?«
Morton Butler war immer stolz darauf gewesen, pfiffig zu sein und parieren zu können. Die letzte Bemerkung allerdings hatte ihm die Sprache verschlagen. Zugleich bemerkte er den ersten Schweißausbruch, und in seiner Kehle verspürte er ein Kratzen. Sie wurde trocken. Er hatte Mühe, Worte zu finden, und das nicht nur, weil ihm keine einfielen, denn dieser Besucher passte einfach nicht in die Kathedrale – und das Kreuz ebenfalls nicht.
Zudem zeigte es eine Veränderung. Der Reverend glaubte zunächst an eine Täuschung, als er die Schatten sah, die sich auf den Balken abmalten. Er schaute genauer hin und musste erkennen, dass sich tatsächlich irgendetwas über oder in den Balken bewegte, das wesentlich dunkler war als das goldene Metall.
Er war der Hausherr hier! Das machte er sich noch mal klar, und so fand er auch den Mut wieder, den Mann aus der Kirche zu verweisen. »Ich will, dass Sie gehen, Mister, und zwar sofort!«
»Ach! Und das Kreuz?«
»Können Sie mitnehmen!«
»Ich heiße übrigens Travis Beck und…«
»Ihr Name interessiert mich nicht. Hauen Sie ab!«
Beck öffnete die Augen weit. »Ich bestimme, wann ich gehe oder nicht. Das solltest du dir merken. Ich lasse mir von keinem anderen Menschen hineinreden. Und dann muss ich noch mal auf das Kreuz zu sprechen kommen, ob du es willst oder nicht. Dieses Kreuz, das auch aussieht wie ein Kreuz, ist nicht dem geweiht, dem du dienst! Es hat vor Hunderten von Jahren eine ganz andere Weihe empfangen. Die der Hölle! Ja, dieses Kreuz ist dem Teufel geweiht worden. Er selbst hat ihm seinen Segen gegeben, und das solltest du begreifen. Ich bin sein neuer Besitzer, und ich habe diese Kathedrale ausgesucht, um ein erstes machtvolles Zeichen für die Hölle zu setzen. Ich werde für den Teufel die Kirche übernehmen. Hier wird sich einiges ändern, das kann ich dir schwören. Du kannst abtreten und abdanken. Ab jetzt regiert hier der Satan!«
»Nein…!«
Der Reverend hatte nicht mehr an sich halten können. Er musste schreien, und sein Schrei hallte als Echo durch das große Kirchenschiff.
Travis Beck lachte nur. Er riss das Kreuz hoch, und auch der Reverend hob reflexartig seine Arme, als wollte er etwas abwehren.
Er reagierte zu spät.
Travis schlug zu!
Morton Butler sah etwas Goldenes auf sich zuhuschen. Er duckte sich, aber er schützte sich mit den Händen nicht richtig.
Zu hart und auch zu zielsicher war der Schlag geführt. Butler spürte die Explosion am Kopf und sah Sterne.
Er wollte sich zusammenreißen und auf den Füßen bleiben. Doch das schaffte er nicht mehr. Seine Beine gaben nach, und so sackte er stöhnend neben dem Weihwasserbecken zusammen…
***
Der Reverend war noch nie in seinem Leben niedergeschlagen worden. Er hatte darüber gelesen und gehört, wie es einem Menschen ergehen konnte, und nun erlebte er dies am eigenen Leib.
Er war nicht in einer tiefen Bewusstlosigkeit versunken. Er lag nur auf dem Boden und hatte das Gefühl, weggeschwemmt zu werden.
Er
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