1444 - Legende und Wahrheit
„Es gibt keinen Anlaß, irgend etwas zu reparieren."
Die Feststellung verblüffte Tifflor.
Systeme, die der Wartung nicht bedurften, gab es nicht. Überall wo Maschinen, Geräte, Instrumente in Betrieb waren und Energie verbraucht wurde, entstanden Verschleißerscheinungen. So alt, wie ihm Cintexx-Station erschien, hatte sie gewiß ihre Probleme gehabt. Von wem waren sie gelöst worden, und warum wollte Degruum nicht darüber sprechen?
Nach rund einhundert Metern endete der Gang vor einem Schott. „Dahinter liegt der Kontrollraum", erklärte Degruum. „Wir werden ihn besichtigen."
„Wozu braucht eine vollautomatische Station einen Kontrollraum?" fragte Julian Tifflor.
Nia Selegris warf ihm einen halb verwunderten, halb spöttischen Blick zu.
Es entging ihr nicht, daß er dabei war, den Anoree auszuhorchen, „Manchmal müssen Transportvorgänge gesteuert werden, die im Programm der Station nicht vorgesehen sind", antwortete Degruum. „Dann muß einer von uns hierherkommen und die entsprechenden Schaltungen vornehmen."
„Woher weiß er, daß er hierherkommen muß? Wird er benachrichtigt?"
„Ja."
„Wie?"
„Per ereignishorizontübergreifenden Hyperfunk."
Der Translator übersetzte es, unfähig zu erkennen, daß ihm inhaltsloses Geschwafel aufgetischt wurde. „Bist du schon einmal benachrichtigt worden?" erkundigte sich Tifflor. „Nein."
„Gavval, oder Shyrbaat?"
„Ich weiß es nicht. Danach mußt du sie selbst fragen." Zum erstenmal ließ Degruum Anzeichen erkennen, daß die Fragerei ihn irritierte. „Es wäre im übrigen klug, wenn du deine Wißbegierde ein wenig Zügeltest und dir ansähest, was ich euch zeigen will."
Julian Tifflor nahm sich's zu Herzen und schwieg vorerst. Das Schott fuhr auf. Der Kontrollraum hatte die Form eines Halbovals, den Umriß eines Hufeisens. An den Wänden entlang reihten sich Aggregate, von denen viele mit Sitzplätzen für Bediener ausgestattet waren. Die Technik hatte, allein von der äußeren Erscheinung her, wenig Ähnlichkeit mit dem, was Tifflor an Bord der YALCANDU gesehen hatte. Auch hier gab es Spuren des Alters. „Wie lange existiert die Station schon?" fragte Julian Tifflor. „Länger als du dich zurückerinnern magst", antwortete Degruum unverbindlich.
Er trat auf eines der Aggregate zu. „Dieses hier ist die zentrale Kontrolleinheit", sagte er. „Von dieser Konsole aus kann die ganze Station gesteuert werden, wenn - wie ich vorhin erklärte - ein Transportvorgang zu bewältigen ist, der außerhalb des Programms liegt."
Auf der Konsole leuchteten Kontrollämpchen in allen Farben des Spektrums. Degruum fuhr mit der Hand über ein paar Kontrollflächen. Die Lämpchen flackerten. Ein paar wechselten die Farbe.
Sonst geschah nichts. „Man ist blind hier drinnen", bemerkte Julian Tifflor. „Gibt es keine Sichtverbindung nach außen?"
„Sie läßt sich einrichten", antwortete Degruum. „Man braucht sie normalerweise nicht. Es kommen nur ganz selten Fahrzeuge so nahe an der Station vorbei, daß sie optisch erfaßt werden können."
„Aber die YALCANDU müßte zu sehen sein", beharrte Tifflor. „Kannst du sie uns zeigen?"
Seine Begleiter hatten inzwischen begriffen, worauf es ihm ankam. „Führ uns etwas vor!" trompetete Bolder Dahn. „Schick die YALCANDU per Transitionsimpuls irgendwohin und hol sie wieder zurück."
„Das ist leider nicht möglich", sagte der Anoree. „Ich könnte die YALCANDU fortschicken. Sie käme dann in einem anderen Sternentor an. Bevor sie aber zurückkehren könnte, müßte jemand an Bord das entsprechende Signal ausstrahlen.
Gavval und Shyrbaat sind unvorbereitet.
Sie wüßten nicht, was ihnen geschähe. Das kann ich ihnen nicht zumuten."
„Du könntest dem Autopiloten einen entsprechenden Befehl geben", schlug Gulliver Smog vor. „Das ist alles zu kompliziert", wehrte Degruum ab. „Im übrigen werden wir Cintexx bald verlassen. Da werdet ihr sehen, wie das Wechselspiel zwischen dem Autopiloten und der Kontrollstation funktioniert. Ihr habt verlangt, die YALCANDU zu sehen. Ich werde euch den Wunsch erfüllen."
Abermals glitten die Hände über die säuberlich geordneten Reihen der Kontaktflächen. Eine Reihe piepsender Laute schien anzudeuten, daß diesmal tatsächlich eine Schaltung vorgenommen wurde. Sekunden später materialisierte mitten in der Luft eine Videofläche. Sie zeigte die milchige Helligkeit außerhalb der Station. Von der YALCANDU war jedoch keine Spur zu sehen. „Wartet", bat der
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