1448 - Der Kaiser von Karapon
eine relativ geringe Zahl von Häftlingen. Nur ganz besondere Gefangene wurden direkt im Palast untergebracht. Gewöhnliche Verbrecher hatten hier nichts zu suchen.
Der größte Teil der Räume diente ganz anderen Zwecken - zum Beispiel der Unterbringung der Palastwachen und der Dienerschaft.
Es war ein höchst zweifelhaftes Vergnügen, in unmittelbarer Nähe des Kaisers von Karapon und seiner Familie zu arbeiten. Thoy-P'angs Vater zum Beispiel hatte kurz vor seinem unerwarteten Dahinscheiden Hunderte von Wachen und Dienern samt ihren Familien wegen Hochverrats und eines angeblichen Mordversuchs hinrichten lassen. Mit dem gesamten Küchenpersonal und allen anderen, die mit den angeblich vergifteten Speisen in Berührung gekommen waren, hatten auch Dutzende von Händlern, Bauern, Erntearbeitern und ähnliche Leute dran glauben müssen. Und bei alledem hatten alle Beteiligten ganz genau gewußt, daß die hochverehrte Kaiserliche Majestät sich lediglich überfressen hatte.
Auch Thoy-P'ang hatte das gewußt, und als intelligenter junger Prinz hatte er auch sogleich begriffen, was die Stunde geschlagen hatte.
Es war ein Problem, mit dem die kaiserliche Familie immer wieder einmal zu kämpfen hatte. Die Thronfolge derer von Karapon wurde einzig und allein auf der Grundlage von Abstammung und Alter geregelt. Stand ein unfähiger Prinz dem Ruhm von Karapon im Weg, so mußte er ebenso gründlich beseitigt werden, wie ein von seinem Amt verschlissener, vom Verfolgungswahn gebeutelter Herrscher.
Nur selten war ein Kaiser von Karapon an Altersschwäche gestorben.
Jeder hier im Palast wußte, aufweiche Weise Thoy-P'ang auf den Thron gelangt war. Dennoch galt er als vergleichsweise angenehmer Herrscher. Er war hart, sogar grausam seinen Feinden gegenüber, und er hielt auf strikte Disziplin bei seinen Untertanen. Aber alles in allem war man sich darüber einig, daß er ein ganz erträglicher Kaiser war. Es hatte schlimmere als ihn gegeben.
All dies und noch vieles mehr erfuhr Ge-Liang-P'uo aus den Gedanken derer, die in ihrer Nähe lebten und arbeiteten. Sie erfuhr vor allen Dingen, daß Thoy-P'ang in der letzten Zeit ruhiger und duldsamer als je zuvor war und daß man dies der Anwesenheit Dao-Lin-H'ays zuschrieb, an der Thoy-P'ang offenbar einen Narren gefressen hatte.
Dies kam auch Ge-Liang-P'uo zustatten.
Es begann damit, daß man ihr eine etwas freundlichere Zelle zugestand und sie von nun an mit ordentlicher, frischer Nahrung versorgte. Erfolg: Sie hatte es nicht mehr mit einer seelenlosen Automatik, sondern mit lebendigen Karaponiden zu tun.
Inzwischen hatte sie viel Zeit gehabt, sich über den seltsam hemmenden Einfluß in diesem Palast den Kopf zu zerbrechen.
Sie war jeder noch so winzigen Spur nachgegangen und schließlich auf eine sehr interessante Geschichte gestoßen.
Thoy-P'ang hatte offenbar früher, als er noch nicht Kaiser war, zahlreiche Expeditionen zu fremden Welten unternommen und von diesen Reisen Unmengen von höchst seltsamen Souvenirs mitgebracht Zu diesem „Reiseandenken" gehörte ein Dhal - ein kleines, schuppiges Wesen, das von irgendeinem abgelegenen Planeten stammte und dort mit knapper Not die Intelligenz eines dreijährigen Kindes erreichte.
Als dieses Wesen unter Karaponiden kam, steigerte sich seine Intelligenz in so auffälliger Weise, daß Thoy-P'ang sich genötigt sah, dieser Sache nachzugehen. Es stellte sich heraus, daß der Dhal die psychischen Kräfte der Karaponiden in sich aufsaugte. Da dies mitunter sehr gefährliche Folgen hatte, ließ Thoy-P'ang den Dhal in seine Heimat zurückschaffen.
Aber bis sich der Kaiser zu diesem Entschluß durchgerungen hatte, war einige Zeit vergangen, denn Thoy-P'ang mochte dieses kleine, schuppige Geschöpf und wollte sich zuerst nicht von ihm trennen.
Darum hatte er anfangs versucht, des Problems auf andere Weise Herr zu werden.
Unter den Völkern, die ihm Tribut schuldeten, befand sich auch eines, das von den Hauri abstammte und noch etwas von der alten Psi-Technik beherrschte. Thoy-P'ang hatte sich von Angehörigen dieses Volkes Sperren in seinen Palast einbauen lassen, mit denen er die Fähigkeiten des Dhal kontrollieren wollte. Das hatte nicht geklappt. Da diese Sperren ansonsten keinen erkennbaren Effekt ausübten, hatte man sie einfach an Ort und Stelle gelassen und sich so die Mühe eines erneuten Umbaus erspart.
Damit war die Ursache der rätselhaften Störungen gefunden, und da Ge-Liang-P'uo keine zusätzliche Psi-Quelle
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