1449 - Der Knochentempel
sagen.
»Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um. So ist es schon immer gewesen. Ich habe meinen Vater einige Male gewarnt, doch er wollte einfach nicht hören.«
»Ja«, sagte Arrik und lachte wieder. »Auch du wirst darin umkommen, Verräterin. Auch du!«
Er wollte noch mehr sagen, doch Sukos Blick ließ ihn verstummen.
Allmählich begriff er wohl, dass er es war, der die schlechteren Karten hatte.
Der Inspektor interessierte sich nicht weiter für Arrik. Er war ausgeschaltet und nichts anderes als ein willfähriger Helfer gewesen.
Um ihn würden sich die Kollegen kümmern, die Suko anrufen wollte, damit sie den Mann mitnahmen. Wichtiger für ihn war Ellen Kinley.
Sie schaute ins Leere. Er sah ihr an, dass sie gedanklich mit dem Tod ihres Vaters beschäftigt war. Einige Male zog sie die Nase hoch und hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken.
»Ihre Aufgabe ist noch nicht beendet, wie ich annehme«, sagte Suko mit leiser Stimme.
»Ja, so ist es.«
»Es geht um die restlichen Schädel, nicht wahr?«
Sie nickte. »Ja, die Köpfe der Opfer, die ich…« Die Stimme versagte ihr für einen Moment. Dann murmelte sie: »Ich meine die Köpfe, die ich mitnehmen muss, um sie an einen bestimmten Ort zu bringen. Das Beinhaus ist nur eine Übergangsstation gewesen. So muss man es sagen.«
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sollen Sie die Schädel in die Kathedrale schaffen?«
»Genau.«
»Und weiter?«
»Nichts mehr. Oder ich weiß es nicht. Sie sollen dort ihren Platz bekommen.«
»Okay.« Er lächelte ihr knapp zu. »Ich denke nicht, dass Sie diese Aufgabe übernehmen werden, Ellen. Darum werde ich mich kümmern.«
»Was? Sie?«
»Ja.«
»Aber Sie kennen den Weg nicht. Das ist alles nicht so einfach, wirklich.«
Suko winkte ab. »Natürlich ist das nicht einfach, Ellen. Aber ich werde dem Spuk ein Ende bereiten. Dieser Köpfer darf nicht den Sieg davontragen. Sie werden sich in den Schutz meiner Kollegen begeben, statt hier in der Wohnung mit Ihrer Angst allein zu bleiben. Zudem gibt es noch diesen Damon. Ich möchte nicht, dass er Sie in die Hände bekommt.«
Ellen Kinley warf Arrik einen unsicheren Blick zu und sagte dann:
»Ich möchte lieber in meiner Wohnung bleiben. Wenn Ihre Kollegen Arrik abgeholt haben, werde ich mich hier einschließen. Ich glaube nicht, dass Damon hierher kommt. Der hat anderes zu tun. Besuchen Sie den Knochentempel. So habe ich den Raum unter der Erde getauft. Er war für mich keine Kathedrale, das können Sie mir glauben.«
Suko lächelte. »Okay, Ellen, Sie brauchen sich keine Gedanken mehr zu machen. Ich denke, es wird alles so laufen, wie wir es besprochen haben.«
Suko hatte mit ruhiger Stimme gesprochen. Er wollte die junge Frau nicht noch mehr ängstigen. Er erkundigte sich, wo er die Schädel finden konnte.
Vom Beinhaus waren sie in einen Schrank gewandert, der neben dem Fenster stand. Er war nicht eben breit, hatte zwei schmale Türen, und als Suko die öffnete, schaute er in die mit Geschirr gefüllten Regale. Auf dem Boden stand eine schwarze Tragetasche aus Leinen.
»In der Tasche«, flüsterte Ellen.
Suko zog sie hervor. Dabei stellte er fest, dass die Schädel sich bewegten und gegeneinander stießen, fast wie Billardkugeln. Er öffnete die Tasche und warf einen Blick hinein.
Ja, da lagen sie.
Der makabre Inhalt schimmerte weiß bis gelblich.
Es waren die Beutestücke des geheimnisvollen Köpfers gewesen, der im Jenseits keine Ruhe gefunden hatte. Zumindest ging Suko davon aus. Er musste sich in einer Zwischenwelt aufhalten und war sogar in der Lage, sich zu zeigen.
Er schloss die beiden Türen und wandte sich wieder an Ellen.
»So, meine Liebe, jetzt möchte ich von Ihnen wissen, wie ich am schnellsten zu dieser Kathedrale komme.«
»Es ist nicht schwer«, sagte sie leise. »Bis Paddington ist es nicht weit. Es gibt da einen Zugang zu den alten U-Bahn-Schächten. Er ist abgeschlossen, aber ich habe einen Schlüssel. Mein Vater hat ihn mir gegeben. Wie er daran gekommen ist, weiß ich nicht. Jedenfalls können sie damit den Zugang öffnen. Durch eine Mauer ist der alte Schacht von dem neuen getrennt. Stören Sie sich nicht an den Ratten. Manchmal hören Sie auch die Züge fahren. Es kann auch sein, dass die Kathedrale mal ein Teil einer Station gewesen ist, aber so genau weiß ich das nicht.«
Suko erfuhr, wie er zu gehen hatte. Natürlich drängte es ihn, dem Knochentempel einen Besuch abzustatten. Nur wollte er das nicht allein durchziehen.
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