145 - Die Suche nach Aiko
hat. Das würde auch die starke Präsenz der Echsenwesen hier erklären.«
»Irgendetwas passt nicht zusammen.« Aruula kratzte sich nervös am Oberarm. »Wenn die Daa’muren nach ihm suchen würden, würden sie auch lauschen. Ich konnte aber nichts wahrnehmen. Sie marschieren stattdessen wie betäubt durch die Gegend. Das beunruhigt mich.«
»Mich auch. Aber wir dürfen nicht überall Probleme sehen. Vielleicht gibt es eine ganz einfache Lösung für dieses Rätsel.«
Aruula drehte sich kopfschüttelnd weg und begann auf dem steinernen Terrain nach Aikos Spuren zu suchen.
***
Es war… atemberaubend.
Auch wenn der Begriff durch und durch menschlich war – er mochte zutreffend sein.
Schmerz, humanoider Schmerz durchfuhr ihn, trieb seinen Geist in Bewusstseinssphären, die er bislang nicht gekannt hatte. Es wäre für Thul’hal’neiro ein Leichtes gewesen, sich zu sperren, die Rezeption der Emotionen abzubrechen.
Aber er wollte es nicht. Diese Erfahrung, sie war so überraschend, so intensiv, so… fantastisch.
»Habe ich dir zu viel versprochen?«
Die Stimme Veda’hal’lodus bahnte sich nur allmählich Zugang zu seinem Denken, und mühsam verdrängte er den Schmerz. Er kehrte in sein eigentliches Ich zurück.
»Es ist tatsächlich eine ganz andere Erfahrung, als ich mir erwartet hatte«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme.
Ja, er redete. Unter keinen Umständen wollte er hier und jetzt mit dem anderen auf geistiger Ebene kommunizieren. Sein Begleiter durfte die Verwirrung, unter der er litt, nicht bemerken.
»Das ist nur der Anfang«, sagte Veda’hal’lodu. »Schmerz ist eine einfach erzeugbare Emotion. In ihrer Intensität mag sie interessant sein, aber es gibt weitaus vielschichtigere Einblicke in das Gefühlsleben der Primärrassenvertreter.«
»Welche sind das?«, fragte er, und hoffte, dass der andere die Gier in seiner Stimme nicht bemerken würde.
»Sehnsucht. Verzweiflung. Hass. Liebesempfinden…«
»Liebe?« Thul’hal’neiro spürte sein Verlangen wachsen.
»Von diesem Konzept habe ich schon gehört.« Diese merkwürdige Verquickung eines daa’murischen Gehirns in einem Gastkörper, das die Gefühle eines Menschen auffing – sie war reizhaft, und sie machte unbedingt Lust auf mehr.
»Die Primärrassenvertreter legen großen Wert auf Zusammengehörigkeit, die auf Botenstoffen, individuellen Vorlieben, seltsam anmutenden optischen Reizimpulsen und vielen anderen Grundlagen beruhen. Es ergibt alles keinen Sinn für mich, so lange ich mich auch damit beschäftige. Doch wenn ich das Konzept auf mich selbst anwende, beziehungsweise es an mich heranlasse – dann funktioniert es: Und es ist… berauschend.«
»Schöner als Schmerz?«
»Schmerz ist ein negatives Empfinden. Das solltest du dir einprägen.«
Veda’hal’lodu redete mit ihm, als wäre er ein Leq, ein Unreifer. Wie kam er dazu, derart herabwürdigend, ja hochnäsig zu reagieren? Nur weil er ein paar Erfahrungen mehr im Umgang mit menschlichen Gefühlen hatte?
Ein neues Konzept entstand in ihm. Kurz griff er auf die Erinnerungen der Frau Lin’croo zurück.
Ihre Gedächtnisspeicher erfassten das, was er fühlte, als Neid.
Neid war, für sich allein gesehen, nichts Aufregendes. Doch aus ihm konnte Großes erwachsen. Hass, zum Beispiel.
Thul’hal’neiro war, als hätte er sich aus dem Erdreich seiner Existenz einen Tunnel gegraben und nunmehr die Oberfläche erreicht. Eine Endlosigkeit breitete sich vor ihm aus, die so leer wie ein unbesprochener Geisteskristall war und zum Entdecktwerden aufforderte.
»Erzähl mir mehr von dieser Liebe, und wie ich sie erreichen kann«, forderte er Veda’hal’lodu auf.
»Es ist nicht fair, wenn du alleine forschst!«, entgegnete der andere.
»Zumindest einer von uns muss auf die Primärrassenvertreterin aufpassen.«
»Das sollte ein Leichtes sein. Das Weibchen ist in seiner eigenen Geisteswelt gefangen und stellt für uns kein Problem dar. Zudem will ich von dieser Liebe nur… kosten. Gib mir ein paar Hinweise, wie ich sie erreichen kann, und ich verspreche, dass ich mich so rasch wie möglich wieder zurückfinde. Das Konzept kann nicht derartig aufregend sein, dass ich deswegen alles um mich herum vergesse.«
Im selben Moment, als er die Worte aussprach, wusste Thul’hal’neiro, dass er einem Irrtum unterlag. Hinter dem Konzept Liebe steckte viel mehr, als dass es mit einem kurzfristigen Eintauchen getan wäre. Aber die Verlockung –
auch ein neues Wort, das er
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