145 - Die Suche nach Aiko
Geäst, rutschte schlammiges Erdreich in eine Bodensenke hinab, hantelte sich mit ein paar sicheren Handgriffen auf der anderen Seite wieder hinauf. Binnen weniger Minuten hatte sie so einen kleinen Vorsprung auf ihn herausgearbeitet. Und dennoch hatte es nie den Anschein, als ließe sie die Umgebung unbeobachtet.
Sie war die geborene Kriegerin. Mit der Umgebung auf Du und Du, stets alarmiert, immer bereit, auf Gefahrenmomente zu reagieren.
Plötzlich duckte sie sich tief unter einen Felsen. Ohne sich umzudrehen, bedeutete sie ihm, ebenfalls Deckung zu suchen.
Da gab es kein Fragen über das Warum und Wieso – Matt gehorchte und warf sich in den Morast, durch den er sich soeben bewegte.
Minuten vergingen. Matthew schlug das Herz bis zum Hals.
Alles in ihm drängte danach, zu der Barbarin zu robben und die Gefahr zu sehen, vor der sie ihn gewarnt hatte. Doch jede Bewegung, jeder Fehler konnte in dieser unheimlichen, unbekannten Umgebung der letzte sein. Seine Hand schob sich zum rechten Oberschenkel und öffnete die Tasche, in der sich der Driller befand. Zeitlupenhaft zog er die Waffe hervor, verzichtete aber noch darauf, sie zu entsichern.
»Komm!«, zischte ihm Aruula nach einer Ewigkeit zu.
Er rappelte sich träge aus dem sumpfigen Untergrund hoch und kletterte die paar Dutzend Schritte hinauf zu ihr. Der Matsch perlte fast vollständig von seiner Uniform – eine Replik der Londoner Community aus fünfzig Prozent Spinnenseide – ab, sodass er sauber bei Aruula anlangte.
»Sieh!«, flüsterte sie und deutete nach Westen. »Knapp über dem Horizont.«
Er folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger, blinzelte gegen helle Wolkenbänke, die die untergehende Sonne verbargen.
Etwas bewegte sich dort in etwa fünfhundert Metern Entfernung, flatternd wie eine Fledermaus…
Ein Todesrochen!
»Ich dachte, die wären alle tot!« Matt fluchte und patschte mit der flachen Hand ärgerlich auf die nasse Erde.
»Schau ihn dir genauer an, Maddrax.«
Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich.
Tatsächlich. Der Lesh’iye schwankte. Unkontrolliert und mit zuckenden Flügeln schwebte er hoch und nieder, augenscheinlich völlig orientierungslos.
»Er stirbt«, sagte Aruula leidenschaftslos.
Die merkwürdige Kreatur prallte wuchtig auf dem Boden auf. Eine Wasser- und Schlammfontäne spritzte nach allen Seiten. Wenige Sekunden später erreichte sie der Schall und machte deutlich, wie groß und massiv das Daa’murengeschöpf war.
»Aiko hat seinen Auftrag erledigt!«, sagte die Barbarin befriedigt, drehte sich um und gab ihm einen schlammigen, aber leidenschaftlichen Kuss. Ihre Augen glänzten, als sie sich von ihm trennte.
»Wir wollen uns den Todesrochen einmal ansehen«, sagte Matt und richtete sich auf.
»Wir sollten uns zuerst um Aiko kümmern«, mahnte ihn die Barbarin. »Der Ort, den ich beim Lauschen gesehen habe, ist hier in der Nähe. Ich weiß es…«
Sie hatte Recht. Das Schicksal des Unsterblichen war vorrangig.
Weiter ging es, bergauf und bergab, östlich an dem abgestürzten Todesrochen vorbei. Allmählich ließ der Regen nach und wurde zu leichtem Nieseln.
»Wir hätten näher heran fliegen sollen«, murrte Matt.
»Scht!«, unterbrach ihn Aruula, tunkte ihn neuerlich in den Schlamm und warf sich neben ihm nieder. »Daa’muren«, flüsterte sie ihm zu.
Er hielt den Atem an, konzentrierte sich auf sein Gehör.
Da war es! Lautes Schlurfen zweier Wesen, die mit regelmäßigen Schritten tief in den Schlamm einsanken.
Matt blickte vorsichtig hoch. Die beiden Daa’muren stapften wortlos vielleicht fünfzig Meter an ihnen vorbei. Hier, in relativer Nähe zu ihrer Basis, behielten sie ihre eigentliche Form bei: jene eines geschuppten, aufrecht gehenden Echsenwesens.
Matt spürte Angst vor den unheimlichen Wesen. Ja, Angst!
Vieles an den Daa’muren erschreckte ihn.
Ihre physische Präsenz. Der so erschreckend zielgerichtete Verstand. Die Fähigkeit, die Gegenwart der Menschen zu erspüren und in ihre Gedanken einzudringen. Die genetischen Manipulationen, die sie an den Erdvölkern vorgenommen hatten. Ihr Versuch, die Menschen mit einem Virus willenlos zu machen…
Wenn die beiden Wesen gezielt nach ihm und der Barbarin suchten, würden sie mit höchster Wahrscheinlichkeit entdeckt werden. Matt entspannte sich so weit es ging, versenkte sich in äußerster Ruhe und dachte an nichts, an gar nichts…
»Sie haben uns nicht bemerkt!«, flüsterte Aruula und richtete sich vorsichtig auf.
Matt
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