Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
145 - Die Suche nach Aiko

145 - Die Suche nach Aiko

Titel: 145 - Die Suche nach Aiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
Thematisierung, die er bei den Menschen erfuhr, bedurfte hingegen dringender handfester Erörterung.
    Thul’hal’neiro wandte sich zu seinem Begleiter um. »Es ist Zeit für den Kontrollgang«, ließ er ihn wissen.
    Veda’hal’lodu sah zu dem Zentralgestirn empor, das die Primärrassenvertreter Sonne nannten. »Es ist noch vor der Zeit…«, stellte er fest.
    Thul’hal’neiro spürte bereits Wut in sich aufwallen, als Veda’hal’lodu fortfuhr: »… aber die Differenz ist kurz genug, um nicht ins Gewicht zu fallen.« Damit nickte er seinem Begleiter zu und folgte dem Trampelpfad hinaus aus dem Garten.
    Er war kaum hinter den ersten Büschen verschwunden, da wandelte Thul’hal’neiro bereits seinen Körper um, formte ihn nach dem Bild, das er im Geist Lin’croos sah. Vollkommenheit konnte er dabei nicht erreichen; wie man bald herausgefunden hatte, war die menschliche Physiognomie komplizierter, als dass sie mit den Myriaden von winzigsten Schuppen zu einer perfekten Kopie nachgebildet werden konnte. Für den verwirrten Geist der Primärrassenvertreterin mochte es jedoch genügen.
    Thul’hal’neiro löste sich von seinem Platz, ging auf die Menschenfrau zu und fragte mit veränderter Stimme: »Wie geht es dir, meine Liebe?« Bei diesem Ausdruck, so wusste er, handelte es sich um ein so genanntes Kosewort.
    Sie drehte sich um. Er klassifizierte ihren Gesichtsausdruck als überrascht. Ließ sie sich von der Nachbildung täuschen?
    »Du?«, fragte sie – und warf sich impulsiv an seinen Hals.
    Dann erst schien ihr zweierlei bewusst zu werden:
    »Du bist ja nackt!«, stieß sie hervor und sah sich im gleichen Moment verwirrt um. »Und wo sind die beiden Echsenköpfe hin?«
    Thul’hal’neiro kannte den Begriff bereits, mit dem sie die Wirtskörper abwertend belegte. Es störte ihn nicht. »Ich habe sie hinaus geschickt, meine Liebe«, sagte er, »um mit dir allein zu sein. Ich möchte mich gern mit dir vereinigen.«
    »Diese Worte habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr von dir gehört.«
    »Ich weiß«, antwortete er mit der Stimme von Jeecob’smeis – und ließ das menschlich gestaltete Geschlechtsorgan anwachsen, um das Weibchen zu stimulieren. Ganz so, wie sie es in ihren Gedanken wünschte.
    Eine Sekunde später fühlte er ihre Hand darauf, und eine neue Flut von Emotionen ließ seine ontologisch-mentale Substanz regelrecht brodeln…
    ***
    An der Basis des Auges klebte noch sehnige Haut – jener künstliche Muskel, der die Plysterox-Spritzgussform in seiner Höhle fixiert hatte. Öliges Sekret ummantelte die zähe, transparente Netzhaut, die selbst den Magensäften des Aasgeiers widerstanden hatte.
    Matt steckte das Ding angewidert und traurig gleichermaßen zum Interface-Dorn in eine Plastiktüte. »Damit wäre unsere Suche wohl beendet…«, sagte er.
    Aruula merkte gleich, dass er noch mehr sagen wollte.
    »Aber…?«, hakte sie nach.
    »Ein paar Teile seines Körpers sind noch kein wirklicher Beweis für Aikos Tod. Sogar ein normaler Mensch kann mit einem abgerissenen Finger oder fehlenden Auge weiterleben.«
    Er wandte sich von den Resten des Rochen ab und begab sich auf eine kleine Anhöhe. Hier hatte er einen besseren Überblick.
    Seit fünf Jahren verfolgte ihn der Tod auf Schritt und Tritt.
    Matt konnte und wollte sich daran einfach nicht gewöhnen.
    Aruula hingegen stand dem Schicksal der gefallenen Freunde und Bekannten mit dem ihr eigenen Fatalismus gegenüber. Ihr half der Glaube an ein unverrückbares Schicksal, wie er ihn einfach nicht aufbringen konnte oder wollte.
    Sein Elternhaus, so liberal und fortschrittlich es auch gewesen sein mochte, hatte ihm den Tod stets als etwas vermittelt, vor dem man Respekt und Angst haben musste.
    In Augenblicken wie diesen war ihm seine Erziehung leider mächtig im Wege.
    »Du denkst schon wieder zu viel«, sagte Aruula ohne Spott in der Stimme.
    »Sieht man mir auch ohne Lauschen an, wie?« Matt wandte sich zu ihr um.
    »Es steht dir sozusagen auf die Stirn geschrieben.« Sie lächelte ihn an. »Handle einfach nach dem, was dir dein Herz sagt. Das ist meist der richtige Weg.«
    In ihr steckte nach wie vor so viel Unbekümmertheit, so viel Kraft und Mut. Und er schöpfte daraus wie aus einem erfrischenden Brunnen.
    »Wir bleiben hier«, beschloss Matt.
    »Maximal vierundzwanzig Stunden. Wir dehnen unsere Suche nach Aiko in Richtung des Kratersees aus. Und wenn wir schon dabei sind, sehen wir uns an, was inzwischen im Kratersee vor sich

Weitere Kostenlose Bücher