145 - Jagd auf den Zeitkristall
das Zimmer absicherten, wirkten auf sie ein. Sie hatte wohl vom Korridor her schießen können, aber sie war nicht in der Lage, das Zimmer zu betreten.
Coco tauchte auf. „Rian, sie ist konditioniert", stieß sie entsetzt hervor. „Wenn sie dich nicht töten kann, stirbt sie selbst…"
Gabys Augen weiteten sich, schienen aus ihren Höhlen treten zu wollen. Im nächsten Moment bestätigten sich Cocos Worte auf grauenvolle Weise. Flammen schlugen aus dem Körper des blonden Mädchens. Gaby schrie, riß sich aus Dorians Griff. Dann sank sie haltlos in sich zusammen. Die Flammen erloschen wieder, aber ein furchtbarer Verwesungsgestank machte sich breit.
Dorian wandte sich würgend ab. Er konnte Gaby Reuter nicht mehr helfen.
Der Lärm hatte andere Hotelgäste alarmiert, die auf den Gang stürmten. Die Wolke des Verwesungsgestanks trieb sie zurück.
Gaby war nicht mehr. Nur noch ein bräunliches Skelett lag am Boden, von angekohlten Kleidungsfetzen umhüllt.
Dorian war blaß. Er wagte nicht hinzusehen. Das Ende des Mädchens machte ihm zu schaffen. In hastigen Worten stieß Coco hervor, was die Dämonin Micaela Zardoni gesagt hatte. Gaby war ein Druckmittel gegen Coco gewesen…
„Wir müssen verschwinden", stieß Dorian hervor. „Verdammt, wenn sie jetzt die Polizei herholen und dumme Fragen stellen, sitzen wir fest bis zum Jüngsten Tag. Ich verschwinde ungern auf diese Weise, aber wir werden am Ende noch eingesperrt, weil man uns den Mord an dem Mädchen anhängt… "
„Mord?" Coco lachte bitter auf. „Für diese Todesursache wird auch der beste Gerichtsmediziner keine Erklärung haben… "
Dennoch war es besser, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden, ehe Fragen gestellt werden konnten.
Noch während sie mit dem Mietwagen zum Arno rasten, sah Dorian immer wieder das sterbende Mädchen vor sich. Gaby Reuters sinnloser Tod würde ihn noch lange in seinen Träumen verfolgen.
Der Zufall wollte es, daß jemand die gefesselten und geknebelten Condanos fand. Erschrocken sah er sich zunächst nach allen Seiten um, dann lief er auf die beiden mittelalterlich gekleideten Männer zu, die in ihrer Aufmachung besser in den berühmten Masken-Karneval von Venedig gepaßt hätten als in einen Hinterhof in Florenz. Er nahm einem von ihnen zunächst einmal den Knebel ab. „Was hat man denn mit Ihnen gemacht, signori?"
„So Ihr Augen habt zu sehen, so seht Ihr's doch", knurrte Condano. „Habt ein Herz und befreit uns von den Fesseln, edler Herr."
Der „edle Herr", heruntergekommen wie Charlie Chaplin in Moderne Zeiten, wollte sich erst verkaspert fühlen, bis er begriff, daß dieser fossil aussehende Knabe sich wohl generell so auszudrücken pflegte. Er befreite erst ihn, dann seinen vermeintlichen Zwillingsbruder.
„Verbindlichsten Dank", sagte Condano I, vergalt Gutes mit Bösem und schlug seinen Befreier kurzerhand nieder. Der bräuchte schließlich keine neugierigen Fragen zu stellen.
Die beiden Magier brauchten sich nicht miteinander zu verständigen. Sie waren gewissermaßen ein Geist in zwei Körpern geworden. Und sie fühlten ihren Zeitkristall. Er bewegte sich durch die Stadt. Die Condanos blieben ebenfalls nicht an Ort und Stelle. Sie folgten dem geheimnisvollen und nur für sie feststellbaren Signal, das von dem Kristall ausging. Sie waren mit ihm verbunden.
Die Kristallzeit band sie noch immer.
Die Condanos benötigten keinen Stadtplan. Sie wußten auch so, wohin sie sich zu wenden hatten, um den Zeitkristall zu erreichen. Der Kristall zog sie an wie ein Magnet. Mehrfach mußten sie die Richtung wechseln, gerade so, wie sich der Kristall bewegte. Sie waren stets bemüht, die kürzeste Verbindung zu erreichen. Und so kamen sie schließlich zur Ponte San Nicolö.
Sie mußten den Kristall wieder an sich bringen!
Dorian stoppte den Wagen, mit dem sie bis zur Ponte San Nicolö gekommen waren, ohne daß jemand hinter ihnen her war. „Vielleicht", vermutete Coco, „haben wir das unverschämte Glück, daß die Zardonis annehmen, ich sei bei der Explosion des Autos umgekommen, und dich habe das Mädchen erledigt. Bis sie das Gegenteil merken…"
„Darauf wollen wir uns lieber nicht verlassen." Am Lungarno war natürlich kein Parkplatz zu finden, weder in der Zecca Vecchia noch in der Tempio. Hier hatten schon die Einheimischen Schwierigkeiten, ihre Fahrzeuge unterzubringen. Dorian entschied sich, den gemieteten Wagen einfach am Straßenrand stehen zu lassen. Irgend jemand würde sich schon
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