145 - Jagd auf den Zeitkristall
darum kümmern, zumal die Uferstraße an sich breit genug war. Wer hier einseitiges Halteverbot an geordnet hatte, mußte ein Schreibtischtäter besonderer Güteklasse sein.
„Schaffst du's über das Mäuerchen?" fragte Dorian.
Coco nickte. Dorian stellte den Koffer auf die Ufermauer, schwang sich hinüber und kam einige Meter tiefer federnd im Kies auf. Coco warf ihm den Koffer zu. Dorian fing erst ihn und dann die springende Hexe auf. Coco atmete tief durch.
„Jetzt fehlt nur, daß uns einer das Magnetfeld geklaut hat… "
Es war nach wie vor vorhanden. Magnetfelder ließen sich in ihrer Position nicht verändern. Oben hupte jemand, der sich in seinem Mini-Fiat auf verbleibenden drei Metern Straßenbreite behindert fühlte. Das war auch die einzige Reaktion auf das „Untertauchen" der beiden Dämonenjäger.
Dorian zirkelte das Magnetfeld ab. „Komm", bat er.
Doch Coco stand da wie erstarrt und sah nach oben. Dorians Blick folgte dem ihren. Er sah die beiden Condanos auf der Ufermauer stehen - und herabspringen!
Sie bewegten sich immer noch völlig synchron. Die Kristallzeit hielt sie in ihrem Bann. Kaum im Kies aufgekommen, stürmten die beiden Magier auf Dorian und Coco zu, die Fäuste schwingend. „Oh nein", murmelte Coco. Sie fühlte sich nicht stark genug, ihnen mit Magie entgegenzutreten. Diese Sache mußte Dorian übernehmen.
Den durchzuckte eine Blitzidee. Warum sollte er die Condanos nicht mitnehmen nach Venedig? Er hatte nur den schriftlichen Teil der für die Zeitreise nötigen Beschwörung. Wenn Coco mit Hypnose nachhalf, daß die Condanos den Rest vollzogen… ?
Er ließ sie in seine wirbelnden Fäuste und Handkanten laufen. Vor zweihundert Jahren, zu Lebzeiten von Condano I, hatten sich die einschlägigen Künste der asiatischen Kampfsportarten und waffenlosen Selbstverteidigung noch nicht bis nach Europa herumgesprochen, auch nicht bis zum Welthafen Venedig, in dem Condano gelebt hatte. Also konnte er sich auch nicht auf Dorians Kampftechnik einstellen. Und es reichte, einen der beiden niederzuschlagen. Der zweite, durch die Kristallzeit mit dem anderen verbunden, ging freundlicherweise ebenfalls zu Boden.
„All right", brummte Dorian. „Nehmen wir sie also mit. Bleibt nur die Frage, wie wir sie in Venedig über die Freiheitsbrücke in die Lagunenstadt bringen…"
Er zirkelte das Magnetfeld ab, brachte die beiden Condanos mit hinein und ergriff Cocos Hand. Dann nahm das wesenlose Grau des Feldes sie auf und transportierte sie durchs Nichts nach Venedig…
Es war dunkel geworden. Die Zeiger der Uhr rückten der Mitternacht immer näher. Dorian hatte ein kleines Motorboot gemietet, das sie zur Toteninsel bringen würde. Dorian hoffte, daß die Insel seit den makabren Geschehnissen nicht bewacht wurde. Immerhin war die Friedhofsruhe erheblich gestört worden.
„Was hast du nun eigentlich vor?" wollte Coco wissen. „Willst du die Erweckung Condanos verhindern?"
„Das kann ich nicht", sagte Dorian. „Auch wenn ich es gern möchte. Ich bin nicht so vermessen wie Vittorio Zardoni, daß ich nachträglich etwas verändern möchte. Zu viel kann dabei geschehen, das mich selbst auslöscht und ein neues Paradoxon schafft. Die Verstrickung in die Unmöglichkeiten würde nur immer komplizierter und verworrener. Ich will die Fäden wieder zusammenführen. Ich muß es, Coco… etwas zwingt mich dazu."
„Stehst du unter einem Bann?" fragte die Hexe mißtrauisch.
„Vielleicht", überlegte Dorian. „Aber es ist nichts Negatives. Vertraue mir. Ich bin sicher, daß ich richtig handele."
„Mhm", machte Coco.
Sie hatte sich in den letzten Stunden wieder einigermaßen erholt. Zwar war sie noch nicht wieder zur Höchstform aufgelaufen, aber sie rechnete damit, Dorian helfen zu können, wenn es darauf ankam.
Wenige Minuten vor Mitternacht verließen sie das Hotel, in dem sie sich einquartiert hatten - ein anderes als das ihres ersten Aufenthalts. Dorian wollte nicht mehr Aufsehen erregen als unbedingt nötig, und in dem früheren Hotel erinnerte man sich mit Sicherheit noch an das Spektakel mit Polizei und Überwachung.
Die Condanos hatten wohl eingesehen, daß Angriffe ihnen nichts nützten. Dorian und Coco waren ihnen haushoch überlegen und ließen sich auch nicht überraschen. So hatten sie einen befristeten Pakt geschlossen. Dorian hatte versprochen, ihnen den Zeitkristall nach Beendigung des Abenteuers auszuhändigen. Im Gegenzug mußte Condano Coco und ihn um ein paar Tage in die
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