1450 - Insel der Vampire
sorgten dafür, dass es wieder mit dem Kiel nach unten zu liegen kam.
Der Blick hinein brachte die Enttäuschung. Wer immer das Boot an diese Stelle getragen hatte, die Ruder jedenfalls mussten woanders liegen. Beide starrten nur auf den Sand, und Sobec zischte wieder einen Fluch, während Hassan allmählich erbleichte, weil er an die Strecke dachte, die er schwimmen musste. Niemals würde er das schaffen.
»Das Wasser ist zudem verdammt kalt«, flüsterte er. »Vielleicht sollten wir versuchen, die Löcher zu stopfen. Wir könnten auch nach Holz suchen und primitive Ruder anfertigen. Zeit haben wir genug.«
Der Bärtige dachte nach. »Das ist nicht mal schlecht. Ich weiß auch nicht, ob ich die Strecke schaffe. Es ist einfach zu kalt im Wasser, verdammt.«
»Eben.«
»Gut, dann fangen wir jetzt an. Wir können die vier Kisten auch später verstecken.«
Hassan fiel ein Stein vom Herzen. Er schöpfte Hoffnung und lächelte sogar. Wenig später lächelte er nicht mehr. Er hatte sich umgedreht, um einen Blick auf das Gehölz zu werfen, als er erstarrte.
Ungefähr dort, wo der Strand aufhörte und der breite Hang aufwärts führte, stand eine Gestalt und schaute zu ihnen herüber.
»Sobec!«, flüsterte der Türke. »Schau mal zum Gelände hin!«
Der Klang der Stimme hatte den Bärtigen gewarnt. Er drehte sich langsam um und blickte dann nach vorn.
Auch er sah die Gestalt. Sein Erschrecken hielt sich in Grenzen.
Dafür flüsterte er: »Jetzt werden wir dem Hundesohn mal unsere Rechnung präsentieren…«
***
Die Gier nach Blut hatte Karim aus der Deckung getrieben. Zudem war es Abend und damit dunkel geworden. Keine Sonne, keine Helligkeit. Jetzt war seine Zeit gekommen.
Raus aus der Höhle. Durch die Nacht laufen, sich bewegen. Genau das war so wichtig für ihn. Dabei würde die Sucht nach dem Blut eines Menschen wie ein Motor sein, der ihn antrieb.
Rosanna wusste, was ihr Artgenosse wollte. Sie selbst hatte bei ihrem Erwachen nicht anders gehandelt. Aber sie wollte Karim auch nicht allein laufen lassen. Möglicherweise würde er durchdrehen, wenn er keinen Tropfen Blut zu trinken bekam. Ihm musste klar gemacht werden, dass er zu warten hatte.
Zudem war etwas geschehen. Rosanna hatte Pausen eingelegt und nicht die gesamte Zeit stur das Meer beobachtet. Ab und zu hatte sie hingeschaut, und ihr war dabei aufgefallen, dass das Schiff näher an die Küste herangefahren war. Das Segel war eingeholt worden, das kleine Schiff bewegte sich nicht mehr. Es schaukelte auf der langen Dünung, und Rosanna machte sich weiterhin ihre Gedanken.
Genau wusste sie nicht, was passieren würde, aber ihr kamen zwei Begriffe in den Sinn.
Menschen und Blut!
Sollten sie und Karim tatsächlich das Glück haben, Blut trinken zu können?
Sie erinnerte sich daran, wie sie Karim leer gesaugt hatte. Nach diesem Trank war sie regelrecht erblüht. Der alte, vertrocknete Körper war verschwunden. Das Blut des Menschen hatte ihr die ehemalige Schönheit zurückgegeben, die in den langen Zeiten des Schlafs verloren gegangen war.
Es stand noch nicht fest, dass Menschen die Insel aufsuchen würden. Einige Gründe allerdings sprachen dafür, und so wollte sie mit Karim die Zeit nutzen.
Sie hielt ihn zurück, als er als Erster die Höhle verlassen wollte. Zu sagen brauchte sie nichts. Ein Schlag reichte aus.
Karim schüttelte wütend den Kopf. Er hatte seinen Mund weit aufgerissen und präsentierte die beiden Zähne, die spitz aus seinem Oberkiefer ragten.
»Du bleibst in meiner Nähe!«
Ob Karim Rosanna verstanden hatte, war ihm nicht anzumerken.
Darum kümmerte sich die Vampirin auch nicht. Geschmeidig tauchte sie ein in die Dunkelheit des Abends und musste nicht weit gehen, als das passierte, was sie sich erhofft hatte.
Blut!
Ja, sie nahm es wahr! Sie roch diesen Lebenssaft und sie roch auch die Nähe der Menschen.
Einige Sekunden lang tat sie nichts. Sie richtete sich so weit wie möglich auf und ließ ihre Blicke über den Strand gleiten. Dort war es durch die Schaumkronen des auslaufenden Wassers etwas heller.
Der Himmel war klarer geworden. Es gab zwar keinen Vollmond, doch die Sichel reichte ihr auch, und sie stellte fest, dass es ihr gelang, Unterschiede zu erkennen.
Der Strand war nicht nur flach und dunkel. Dort lag etwas, das zuvor dort nicht gelegen hatte. Auf dem helleren Untergrund hob es sich so gut ab, dass sie die Umrisse eines Boots erkannte. Es war bestimmt nicht von allein dort hingetrieben worden.
Also
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