1450 - Insel der Vampire
ausbreitete und zwischen den Bäumen wuchs. Es waren Korkeichen, aber das spielte für die beiden Männer keine Rolle. Sie wollten die Kisten mit dem Giftgas so rasch wie möglich loswerden.
»Kannst du zwei tragen?«
Hassan nickte.
»Dann los.«
Sie stapelten sie übereinander. Besonders schwer waren sie nicht, aber sie würden schwer werden, je länger sie gingen.
Sobec übernahm die Führung. Er betrat die Insel zwar auch zum ersten Mal, doch er hatte sich schon umgeschaut und wusste, wo er die Ladung verstecken wollte.
Der Boden war auf der einen Seite felsig und so uneben, dass sie Acht geben mussten, nicht zu stolpern.
Als der Weg anstieg, fing Hassan an zu keuchen. Sobec musste lachen. »Du bist nichts mehr gewohnt, mein Junge.«
»Ist auch Scheiße, das hier.«
»Denk lieber an die Scheine.«
»Das tue ich die ganze Zeit.«
Sie hatten den Bereich des Strands schnell hinter sich gelassen.
Jetzt traten sie mit ihren Füßen dürres Gras platt. Wenig später knackten die Zweige der trockenen Büsche, und vor ihnen ragten die Bäume auf. Sie wuchsen auf einem unebenen Gelände, das weiterhin sehr steinig war und in dem Bäume als Hindernisse standen.
Als Sobec stehen blieb, verstummte auch das Keuchen hinter seinem Rücken. Er setzte seine Ladung ebenfalls ab und schaute sich um.
»Hier?«, fragte Hassan.
»Ja.«
»Wenn es heller wäre, dann…«
»Es ist aber nicht heller. Bleib mal hier stehen.«
»Okay.«
Der Türke wartete auf der Stelle. Er blieb dabei zwar starr, doch seine Sinne waren ausgefahren. Er dachte wieder an die alten Geschichten, die man sich erzählte, und fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Der Wind kam ihm plötzlich sehr kalt vor. Das Rauschen des Meeres war hinter ihm zurückgeblieben, und als er sich umdrehte, um einen Blick auf den Strand zu werfen, sah er nur den hellen breiten Bart der auslaufenden Wellen.
Niemand war da. Alles lag im Bereich des Normalen, und er…
Hassan schaute nur noch in eine Richtung. Er hatte die Augen weit geöffnet, atmete durch den offenen Mund und hätte am liebsten geflucht.
Das tat er nicht. Dafür schaute er noch mal hin. So weit hatten sie sich nicht von der Stelle entfernt, wo das Boot am Strand lag. Er hätte es auch in der Dunkelheit sehen müssen, doch so sehr er sich auch bemühte, er sah es nicht mehr.
Abgetrieben?
Den Umriss ihres kleinen Seglers konnte er gar nicht übersehen. Er lag leicht schwankend auf den Wellen. Der Anker hielt es gut. Aber wo war ihr Beiboot?
Hassan unterdrückte seine Panik.
Wenn es nicht von den Wellen geholt worden war und es sich auch nicht in Luft aufgelöst hatte, dann musste es weggeschafft worden sein.
Nur – von wem?
Er war bisher davon ausgegangen, dass Sobec und er sich allein auf der kleinen Insel befänden. Das traf wohl nicht zu, denn das Verschwinden des Boots konnte nur damit erklärt werden, dass es jemand geholt hatte.
Und das war möglich gewesen, wie Hassan sich selbst gegenüber zugab. Sie hatten bei ihrem Gang auf die Insel dem Strand den Rücken zugekehrt. Da hätte sich leicht jemand anschleichen und das Boot verschwinden lassen können.
Anschleichen!
Menschen?
Sollten hier Menschen leben? Aber wurden damit die alten Geschichten nicht ad absurdum geführt? Wer lebte überhaupt auf dieser verdammten Insel? Von Menschen war nie die Rede gewesen.
Man hatte von Gestalten gesprochen und auch von Monstern oder uralten Dämonen, die sich das Eiland als Heimat ausgesucht hatten.
Was wollten die mit einem Boot?
Die Antwort lag auf der Hand. Sie wollten dafür sorgen, dass sie die Insel nicht mehr verlassen konnten. Deshalb hatten sie es sich geholt und womöglich heimlich zerstört, sodass nur noch Trümmer von ihm übrig waren.
Hassan schüttelte den Kopf. Ein Kälteschauer rann über seinen Rücken. Er fing sogar an zu zittern, und erst als er die Schritte hörte, kam er wieder zu sich.
In der breiten Lücke zwischen zwei Baumstämmen erschien die Gestalt seines Kumpans.
»So, ich habe das richtige Versteck gefunden. Es ist eine kleine Höhle, in die unsere Kisten hineinpassen. Wir werden den Eingang noch etwas tarnen und uns dann…« Sobec unterbrach sich mitten im Satz. Er schüttelte den Kopf und starrte den Türken an, als hätte dieser etwas Besonderes an sich.
»He, was ist denn los mit dir?«
»Scheiße ist es.«
»Was denn?«
»Es ist weg!«, flüsterte Hassan.
»Was ist weg?«
»Das Beiboot!«
Sobec sagte zunächst nichts. Dafür starrte
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