1454 - Solo für den Satan
nicht, da standen die Augen zwar offen, aber es gab kein Leben mehr in ihnen. Sie waren so glanzlos geworden wie die des Toten, den er vor kurzem noch besucht hatte.
Und sie sah die dunkle Lache, die sich nicht aufhalten ließ und unter dem Hinterkopf hervorquoll.
Das sagte ihr alles.
Ricardas violett geschminkte Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln.
»Du hast es dir selbst zuzuschreiben, mein Freund. Du hättest dich nicht so anstellen sollen. Manchmal gibt es Situationen, in der dir auch dein Gott nicht mehr helfen kann.«
Aus ihrer Kehle drang ein scharfes Lachen. Sie hatte ihren Job getan. Sie hatte bewiesen, dass sie vor nichts und niemandem Respekt zu haben brauchte.
Immer noch lachend verließ sie die kleine Kapelle und verschwand in der Dunkelheit…
***
Der Mann, der sich im Schatten der Kapellenmauer aufhielt, war kaum zu sehen, und auch Ricarda Hades bekam ihn nicht zu Gesicht.
Chris Tucker wusste nicht, was er tun sollte.
Tucker war ein Mensch, der sich nicht gern als Penner bezeichnen ließ. Viel lieber hörte er es, wenn man ihn einen Wanderer nannte, einen Tramper, der frei sein wollte und zu Fuß durch die Welt zog, wobei er sich auf Europa beschränkte.
Dass er das Vereinigte Königreich durchwanderte, war Zufall gewesen. Er selbst stammte aus dem Norden Schottlands, wollte nach Süden und irgendwann nach Frankreich übersetzen.
Eigentlich hätte er schon dort sein wollen, aber eine hartnäckige Erkältung hatte ihn aufgehalten. Zum Glück hatte er ein Kloster mit Nonnen gefunden, die ihn für eine Weile aufgenommen hatten.
Nach einem Monat war er wieder so weit hergestellt, dass er seine Wanderung erneut aufnehmen konnte. Als Dank hatte er den frommen Frauen zwei Bilder hinterlassen, denn Chris verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Pflastermaler oder als Porträtzeichner.
Damit kam er ganz gut über die Runden. Zudem war er nicht anspruchsvoll. Was er zum Leben sonst noch brauchte, befand sich in dem Rucksack auf seinem Rücken.
Das Wetter hatte ihn überrascht. Mit dem plötzlichen Kälteeinbruch hatte er nicht gerechnet. Er wusste, dass gerade die erste Nacht immer die Schlimmste war, und die wollte er nicht gerade im Freien verbringen. In den kleinen Orten im Osten von London hatte er auch keine Bleibe gefunden, zweimal war er sogar von einem Hund gejagt worden, dann aber war er auf die Kapelle aufmerksam geworden, die so einsam und leer auf einem kleinen Hügel stand.
Tucker irrte.
Einsam war sie, aber nicht leer.
Erst hatte er seinen Ohren nicht getraut, doch beim Näherkommen hatte es sich zu einer Tatsache verdichtet. In der Kapelle machte jemand Musik.
Nur keine Kirchenmusik. Was da durch die Mauern hallte, das hinterließ bei ihm einen Schauer. Das war harter Rock oder wilder Punk.
Natürlich trieb die Neugierde ihn weiter. Er hatte auch vorgehabt, die Kapelle zu betreten, doch das war nicht mehr möglich, denn es kam ihm jemand zuvor.
In der Nähe hielt ein Auto, und aus ihm stieg ein Mann, der wie ein Priester gekleidet war. Tucker hatte ihn nicht aus der Nähe gesehen, seinem Verhalten allerdings entnahm er, dass dieser Mensch nicht eben erfreut über die Musik in der Kapelle war.
Er war wenig später in der kleinen Kapelle verschwunden, deren Mauern trotz allem sehr dick waren. So hörte Chris Tucker zwar Stimmen die eines Mannes und einer Frau, verstehen konnte er allerdings nichts. Nur unterhielten sich die beiden nicht eben normal.
Sie schrien sich an, sonst hätte er nichts gehört.
Es wurde auch zwischendurch nicht mehr gespielt oder gesungen, aber nach einer Weile des Abwartens öffnete sich eine Tür, was er deutlich hörte, weil sie leise knarrte. Wenig später sah er die Frau mit einer Gitarre in der Dunkelheit verschwinden, während der Pfarrer die Kapelle nicht verließ.
Als er nach gut fünf Minuten noch immer nicht gekommen war, fing Chris an, darüber nachzudenken.
Was tat ein Pfarrer in einer Kapelle, wenn er keine Messe abhielt?
Er betete möglicherweise. Nur wollte er in diesem speziellen Fall nicht daran glauben. Er hatte so ein Gefühl, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zuging.
Chris sah seine Chance, in der Kapelle die Nacht zu verbringen, davonschwimmen. Jetzt musste er sich wohl ein anderes Lager suchen, was ihm gar nicht gefiel.
Mit langsamen Schritten näherte er sich der Tür. Sie war recht klein und ließ sich auch leicht öffnen. Durch die dabei entstehenden Geräusche hätte er eigentlich gehört werden
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