1459 - Die Hexe und ihr Henker
Labor. Es war spät geworden, aber nicht zu spät, um nicht noch einer gewissen Laurie Andrews einen Besuch abzustatten.
Kaum hatte ich in meinem Rover Platz genommen und mich angeschnallt, meldete sich mein Handy. Auf dem Display sah ich Bill Conollys Telefonnummer.
»Ja, was gibt’s?«
»Das frage ich dich, Alter.«
»Ich habe die Analyse.«
Bills Stimme klirrte fast vor Spannung. »Und? Was hat sie ergeben?«
»Es ist altes Blut.«
»He!«
»Sehr altes sogar. Und der Fetzen entspricht auch nicht eben der neuesten Mode.«
»Wow«, sagte Bill Conolly, »das ist ein Hammer. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.«
»Ist aber so. Ich glaube nicht, dass sich Dr. Oxford bei seiner Analyse geirrt hat.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.«
»Und jetzt werden wir weitersehen.«
Bill hatte noch nichts vergessen. »Das heißt, du willst zu einer gewissen Laurie Andrews fahren?«
»Dabei ist es geblieben.«
»Soll ich…«
»Nein, nein, das erledige ich schon allein. Aber du brauchst keine Sorgen zu haben. Ich werde dir Bescheid geben, wenn was Außergewöhnliches passiert.«
»Wenigstens etwas.«
Damit war unser Gespräch beendet. Ich atmete noch mal tief durch und startete…
Diese herrliche Dusche war genau die Wohltat gewesen, die Laurie Andrews noch gefehlt hatte. Sie fühlte sich topfit, als sie aus der geräumigen Duschkabine stieg. Das Haar hatte sie durch eine Duschhaube vor dem Wasser geschützt. Sie nahm sie ab, nachdem sie den nackten Körper in ein flauschiges Badetuch gewickelt hatte, schüttelte die Haare aus und fing an, sich abzutrocknen.
Noch immer lief ihr eine Gänsehaut den Bauch hinab, wenn sie an Tommy dachte und was er alles mit ihr angestellt hatte. Er tat ihr jeden Gefallen, das mochte sie so sehr an ihm.
In ungefähr drei bis vier Wochen wollte sie ihn wieder anrufen. Sie spielte auch mit dem Gedanken, ihn mit an die Côte d’Azur zu nehmen, wo sie in zwei Wochen beruflich für einige Tage hinfliegen musste. Das wäre perfekt gewesen, da hätte sie ihn als ihren Assistenten vorstellen können, denn von Mode hatte Tommy schon Ahnung. Und dann hatte sie ihn jeden Abend für sich. Wenn sie bezahlte, warf er nicht mal einen schüchternen Blick den anderen Schönheiten der Küste zu.
Das musste sie sich noch durch den Kopf gehen lassen. Zunächst wollte sie ihn verabschieden und sich dann noch um einige Projekte kümmern, denn sie hatte vor, einen vierten Laden in Brighton zu eröffnen. Das brauchte eine genaue Planung und Analyse.
Vom Bad aus konnte sie in das Schlafzimmer gehen, das in einer indirekten Beleuchtung schwamm. Sie liebte diesen Raum, in dem nicht nur das Bett stand. Wichtig war ihr neben dem Kleiderschrank auch der große Flachbildschirm an der Wand. Der schmale DVD-Player war kaum zu sehen, aber die Filme, die Laurie sich reinzog, die hatten es in sich und verdienten den Namen Hardcore wirklich.
Daran dachte sie jetzt nicht, als sie das weiche Badetuch abstreifte und es auf dem Bett liegen ließ.
Sie öffnete eine Tür des Einbauschranks, ging nackt in diesen kleinen Raum und streifte einen weißen Morgenmantel über, der innen mit einem etwas angerauten Stoff gefüttert war. Sie knotete den Gürtel zu, stieg in Pantoffeln mit höheren Absätzen und verließ das Zimmer.
Laurie ging davon aus, Tommy noch in der Wohnung vorzufinden. Umso überraschter war sie, ihn nicht zu sehen, als sie den großen Wohnraum betrat. Ihr fiel nur auf, dass die Terrassentür nicht ganz geschlossen war.
Durch den offenen Spalt wehte die kühle Abendluft in den Raum.
Laurie fröstelte.
»Tommy?«
Ihr halblauter Ruf verhallte.
Sie runzelte die Stirn. Es gab nur noch die Möglichkeit, dass sich Tommy auf der Terrasse aufhielt. Vor dem Betreten hatte er die Außenbeleuchtung nicht eingeschaltet. Es brannte nur das Notlicht, aber dessen Schein erfasste ihren Liebhaber auch nicht.
Geheuer war ihr nicht zumute, als sie sich der Tür näherte. Den Grund wusste sie nicht, aber das unangenehme Gefühl ließ sich einfach nicht abstreifen. Sie hatte den Eindruck, in ihrer eigenen Wohnung eine Fremde zu sein.
Vor der Schiebetür blieb sie stehen.
Von hier aus konnte sie die Terrasse bis hin zum Geländer überblicken. Nur was rechts und links war, lag im toten Winkel.
Sie entdeckte Tommy nicht.
War er doch schon weg?
Das konnte sich Laurie nicht vorstellen. Tommy war in gewisser Weise ein ordentlicher und verlässlicher Mensch. Er hätte zumindest die Terrassentür geschlossen
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