146 - Der Schatz in der Tiefe
mithalten?
War es eine Vision des Kommenden, eine Warnung, die jeder Taucher immer wieder beherzigen sollte? Er erkannte es nicht, und als er wieder bewußt die Klänge der Musik von
France trois
hörte und wahrnahm, verging dieser seltsame Anfall ebenso wie der Rauch eines Kamins, schräg gegenüber, aus einem der kleineren Häuser zwischen der Reihe von Bäumen voller hellgrüner, saftiger Blätter.
Die RAYON DU PHARE war ein vierzig Fuß langes Schiff mit Aluminiumrumpf und Holzdeck. Zwei Diesel mit Turboladern zu je hundertfünfundvierzig Pferdestärken bei rund 2000 Touren trieben das Boot an und bildeten die Sicherheit, fast jeden Kurs auch bei Sturm und Wellengang fahren zu können.
Das Holz war gepflegt, der Lack war an allen Stellen in Ordnung. Über dem Wasserpaß, einer breiten feuerroten Linie, herrschten Weiß und der stumpfe Glanz von Marinechromstahl vor. Im Bug gab es eine Doppelliege, vor dem Steuerbord-Fahrstand zwei übereinanderliegende Betten. Vier, maximal sechs Personen konnten auf der RAYON übernachten. Dusche, Toilette, eine kleine Pantry und eine ungewöhnlich große Menge Stauraums waren weitere Merkmale dieses Bootes, das sich hervorragend als schwimmende Basis für etwa vier Taucher eignete.
In dem überraschend großen Maschinenraum herrschten, wie auch an fast allen, anderen Stellen, peinliche Ordnung und Sauberkeit. Schlamperei war die schnellste Methode, einen Schiffsuntergang oder zumindest teuflisch schwierige Situationen zu provozieren.
Musik dröhnte aus dem Empfänger. Charlie saß auf dem Achterdeck und preßte aus der Handpumpe schwarzes, fast flüssiges Silikon gegen die hochgezogenen Kanten der Luken über dem Motorraum. Er hatte gerade eine Längsseite fertig und verstrich das schmierige, klebrige Zeug mit Hilfe von Spülmitteln in der Längsrichtung.
Eine Stimme von Kai her fragte:
„Sind Sie der Skipper, Monsieur, oder arbeiten Sie auf dem Schiff für den Besitzer?"
Charlie hob seinen Kopf und blinzelte gegen die Sonne. Dann schluckte er, ließ die Druckpumpe aufs Deck fallen und stand langsam auf.
Ein ungewöhnlich gutaussehendes Mädchen stand neben dem Kasten des Strom- und Wasseranschlusses und lächelte ihn fragend an.
„Beides, Mademoiselle", sagte er in seinem fast tadellosen Französisch. „Im Augenblick arbeite ich."
„Man sieht's", sagte sie und deutete auf die schwarzen Streifen an seinen Händen und, leider, auch auf dem frischen T-Shirt.
„Lästiges Zeug", erklärte er. „Aber wenn es trocken ist, dann hält es wie der Teufel."
„Ich habe hier herumgefragt. Sie nehmen Taucher mit?" „Das ist mehr oder weniger mein Beruf", sagte er. „Wollen Sie etwa auch…?"
Aus irgendeinem Grund sah die blonde Frau nicht so aus, als würde sie sich für das Tauchen mit Gerät interessieren. Schwimmen, schätzte er, das konnte sie. Mit solch langen Armen und Beinen war sie zweifellos eine dieser Nixen, die in Ufernähe die Blicke anzogen.
„Vielleicht. Darf ich an Bord kommen?"
„Bitte", sagte er und zeigte auf die breite Aluminiumplanke mit dem Haltetau.
Ohne zu zögern und ohne, wie die meisten Besucher, auf dem federnden Steg die Arme in die Höhe zu werfen und „Huch!" zu kreischen, kam sie mit langen Schritten ans Heck, hielt sich am Gestänge für die Heckpersenning fest und setzte sich auf die Kiste, in der die Taucherausrüstungen verstaut waren.
„Was ich suche", begann sie zögernd und sah sich mit großen, blauen Augen um, „ist nicht so sehr ein Tauchlehrer."
Charlie witterte ein Geschäft und ein Abenteuer. Er tauchte in die Kombüse hinunter und nahm eine Bierdose aus dem kleinen Kühlschrank.
„Bitte. Noch nicht kalt", sagte er. „Das Ding läuft erst seit einer Stunde."
„Kalt genug."
Der Verschluß zischte. Neugierig musterte Charlie das Mädchen. Sofort korrigierte er sich. Sie war knapp dreißig Jahre alt, und ihr schulterlanges, blondes Haar war lässig, aber teuer geschnitten und frisiert. Die langen Beine, überraschend gerade, steckten in ausgebleichten Jeans. An den Füßen trug die Frau helle Socken und Bootsschuhe aus wasserfestem Leder - Charlie kannte das teure Fabrikat. Die Sonne funkelte auf den breiten Schmuckarmbändern. Sie waren aus filigran verarbeitetem Silber.
„Sie suchen nicht so sehr einen Tauchlehrer… sondern?" erinnerte er sie und bot ihr eine Zigarette an.
„Das ist schwer zu erklären. Ich kenne Sie nicht gut."
„Sie kennen mich gar nicht", sagte er eine Spur schärfer als
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